Carat
(Eine Science-fiction-Geschichte von Dario Abatianni (C)06.01.1993)

1. Kapitel: Ankunft

Das dumpfe Brummen der Triebwerke hallte beruhigend durch den Gleiter. Beinahe ließ es vergessen, daß das Schiff zu seiner bisher gefährlichsten Mission unterwegs gewesen war. Aber schon seit mehreren Tageszyklen hatte es keinen weiteren Angriff der Oluster gegeben und die Schäden am Gleiter waren beinahe vollständig repariert. Johnston und seine Crew hatten wirklich saubere Arbeit geleistet. Gelegentlich sandte Lieutenant Glover einen Funkspruch auf einer codierten Frequenz, wie weit sie noch von Parax, dem Heimatplaneten der Besatzung, entfernt waren. Parax war einer der wenigen besiedelten Planeten der Galaxis, der noch nicht von den Olustern erobert worden war. Hier befand sich auch das Hauptquartier der Widerstand leistenden Völker, die sich gegen die Machtübernahme und die damit verbundene Versklavung durch die Oluster wehrten.

Vor einer Dekade hatte Lieutenant Glover einen Funkspruch von Parax empfangen, der die Aufforderung für Captain Criss beinhaltete, sofort zum Hauptquartier zu fliegen, um dort die Einzelheiten eines neuen Auftrages zu erhalten. Nachdem sie den Funkspruch bekommen hatten, hatten sie sofort direkten Kurs auf ihren Heimatplaneten genommen. Es hatte gelegentlich Schwierigkeiten mit Patrouillen der Oluster gegeben, aber Leigh und Mullingan hatten ihren Namen als Geschwaderführer alle Ehre gemacht und das Schiff mit ihren Kampfgleitern verteidigt. So waren sie beinahe unbeschadet bis hierher vorgedrungen. Nun waren sie nur noch wenige Stunden von der Station auf Parax entfernt. In der Mannschaft breitete sich langsam eine gelöstere Stimmung aus und auch Criss gönnte sich eine Pause. Er befahl Lieutenant Gent, die Koordinaten für die Landung auszurechnen und sie an O'Rileigh und Dinks weiterzugeben. Dann bat er McDowell ihn zu vertreten und ging in seine Koje, um noch ein wenig auszuruhen. Sein InterCom, das er ständig am Handgelenk trug, ließ er aber auf Empfang, für den Fall, daß es Probleme geben sollte. Jedoch hatte er absolutes Vertrauen in seine Besatzung.

Mit einem Ruck schreckte er auf. Sein InterCom piepte aufgeregt und Criss ging auf Empfang. »Captain Gordon Criss«, meldete er sich.

»Erster Offizier Marc McDowell, Sir«, kam es aus dem InterCom. »Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, daß wir in Kürze landen werden.«

»Danke, Mr. McDowell.« Gordon schaltete das InterCom ab und erhob sich von seiner Liege. Er setzte sich seine Dienstmütze auf und ging hinaus. Die Tür schloß sich mit einem leisen Zischen hinter ihm. Criss durchquerte den kurzen Verbindungsgang, der am Teleporterraum vorbeiführte und trat vor die Tür zur Brücke. Sie glitt zur Seite und Gordon betrat den Kommandoraum. McDowell und Forest salutierten und Criss grüßte zurück.

»Noch zwei Dezimen bis zur Landung«, berichtete Mrs. Gent. »Admiral Foster erwartet Sie dort, Sir.«

Criss verzog das Gesicht. Wenn es einen Menschen gab, den er überhaupt nicht leiden konnte, dann war das dieser arrogante Admiral Foster, dem seine hohe Stellung zu Kopf gestiegen war. »Danke Mrs. Gent«, sagte er dennoch.

»Silver Wing an Parax Raumhafen, Silver Wing an Parax Raumhafen, kommen.« Mrs. Glover wartete, bis die Antwort aus dem Lautsprecher kam.

»Hier Parax Raumhafen. Sprechen Sie, Silver Wing. «

»Hier Lieutenant Glover. Silver Wing unter der Führung von Captain Gordon Criss bittet um die Erlaubnis zur Landung.«

»Landeerlaubnis erteilt, Silver Wing. Nehmen sie Einflugkorridor 376-25.«

»Danke Parax. Silver Wing Ende.«

Captain Criss beobachtete O'Rileigh während dieser das Schiff landete und bereitete sich auf den Ausstieg vor. Die Silver Wing senkte sich hinab bis auf die Oberfläche des Planeten und wie jedesmal überkam ihn ein leichtes Schwindelgefühl, als die künstliche Schwerkraft abgeschaltet und die des Planeten wirksam wurde. Doch das ging schnell vorbei. Dann verließ Criss die Kommandobrücke, gefolgt von seinen beiden Offizieren McDowell und Forest und ging zur Ausstiegsluke.

Langsam senkte sich die Plattform, auf der Criss und die Offiziere standen. Unten angekommen, verließen sie die Ausstiegsluke und traten auf einen Mann in blauer Uniform zu. Criss blieb vor ihm stehen und salutierte. »Gordon Criss, Captain der Silver Wing, Sir.« Dann stellte er seine Offiziere vor. »Mein erster Offizier Marc McDowell und zweiter Offizier Anthony Forest.« Die beiden Männer salutierten ebenfalls.

»Admiral Clive Foster.« Nachdem die Begrüßungszeremonie vorbei war, wandte sich der Admiral um, und Criss folgte ihm. Sie gingen auf eines der Raumhafengebäude zu und betraten Admiral Fosters Büro. Der Admiral setzte sich hinter seinen Schreibtisch und bot Criss und den anderen drei Plätze an. Foster wartete, bis sie sich hingesetzt hatten und begann dann zu reden.

»Wie Sie vielleicht erfahren haben, meine Herren, haben die Oluster unseren Stützpunkt auf Tar Salva angegriffen und vollständig zerstört. Nur wenige konnten sich nach Parax retten, und von diesen Überlebenden haben wir erfahren, daß die Oluster planen, uns endgültig zu vernichten. Ihr Plan ist es, die verschollenen Baupläne der Carat II/x ausfindig zu machen.« Captain Criss hob die Augenbrauen. Er kannte die Carat. Es war natürlich eine schreckliche Vorstellung, daß jemand die Pläne wirklich finden könnte. Der Entwickler dieses Schiffes hatte die Gefahr glücklicherweise rechtzeitig erkannt und die Pläne versteckt. Das Wissen um den Aufbau des Kreuzers war schließlich mit ihm gestorben und auch das Wissen um das Versteck der Pläne. Der Admiral fuhr fort: »Nun möchte ich Ihnen den Auftrag mitteilen. Es ist im Prinzip ein ganz simpler Auftrag, jedenfalls für mich. Keine komplizierten Anordnungen, keine großartigen Pläne, nein. Der Auftrag lautet schlicht und einfach: Finden Sie die Carat, bevor die Oluster Ihnen zuvorkommen.«

Wütend stapfte Criss zu seinem Schiff zurück. Er hatte Admiral Foster nie leiden können, aber jetzt haßte er ihn von ganzem Herzen. Dieser blöde Idiot! Dieser Auftrag war schlicht und einfach Wahnsinn. Niemand wußte, wo Dr. Calvin die Pläne der Carat versteckt hatte, und der Doktor selbst war bereits seit mehr als fünfzig Jahreszyklen tot. Kein Mensch außer ihm kannte den Aufbewahrungsort der Pläne. Criss hatte versucht, das Admiral Foster zu erklären, doch er war auf taube Ohren gestoßen. »Captain Criss«, hatte der Admiral geantwortet. »Die Oluster würden sich niemals solche Mühe geben, wenn sie nicht die Aussicht auf Erfolg hätten. Also kann es sein, daß diese Pläne tatsächlich zu finden sind. Ich habe Ihnen den Auftrag erteilt und Sie werden ihn ausführen, sonst sind Sie die längste Zeit Captain irgendeines Schiffes gewesen und können versuchen, dem Militärgericht die Sachlage zu erklären. Vielleicht läßt man Sie mit zehn Jahreszyklen davonkommen.« Criss war aufgestanden und gegangen. Jetzt, wo er schon auf halben Wege zum Schiff war, fluchte er leise auf den Admiral und seine Sturheit. Aber was sollte er tun? Ein Befehl war ein Befehl und er konnte sich schlecht widersetzen, es sei denn, er wollte die nächsten Jahreszyklen gesiebte Luft atmen. Zähneknirschend stellte er sich mit seinen Offizieren auf die Plattform und ließ sich auf das Schiff heben. Oben angekommen, ging er sofort auf die Brücke.

»Wir werden zwei Tageszyklen auf Parax bleiben. Die Treibstoff-, Nahrungsmittel-, Wasser- und Sauerstoffvorräte müssen aufgefüllt werden. McDowell, Sie kümmern sich darum. Johnston, Sie überprüfen zusammen mit Brooks das Schiff.«

»Aye aye«, sagte Mike Johnston und begab sich mit Victor sofort an die Arbeit.

»Morane, stellen Sie sicher, daß genug Verbandszeug und Medikamente bis zum Abflug an Bord sind.«

»Jawohl, Sir.« Steward rief seine Assistenten Rita Core-Parks und Arthur Kinksley zu sich und wies die Krankenschwester Betty Wardsilver an, die Krankenzimmer zu überprüfen.

»Zak?« fragte Criss.

Ein dunkelhaariger Junge blickte von seinem Tisch auf. »Sir?«

»Gehe zum Admiral und sage ihm, daß ich Kampfflieger zur Unterstützung brauche.« Während er sprach, kritzelte er ein paar Namen auf einen Zettel. »Sage ihm, daß ich diese Piloten haben will, sofern das möglich ist.« Er reichte Zak den Zettel.

»Jawohl, Sir«, sagte der Junge und war auf und davon. Criss beobachtete die Mannschaft, während sie die Checks durchführte.

»Wenn Sie alles erledigt haben«, begann er wieder, »können Sie das Schiff verlassen. Morgen werden wir noch ein paar Tests durchführen und übermorgen fliegen wir los.«

»Wohin soll's diesmal gehen?« fragte O'Rileigh.

»Ich weiß es noch nicht«, sagte Captain Gordon Criss leise.

2. Kapitel: Vorbereitungen

Am nächsten Tag liefen die Vorbereitungen auf vollen Touren. Lebensmittel wurden herangefahren und in den großen Laderaum der Silver Wing verladen, der Treibstofftank wurde vollständig gefüllt, Johnston prüfte die Triebwerke, ließ hier und da ein Teil auswechseln und machte sich schließlich daran, die Hydraulik zu checken. Diverse Mechaniker reparierten die restlichen Schäden, die von den Olustern verursacht worden waren. Geschwaderführer Gary Leigh und sein Kampfgefährte Fred Mullingan ruhten sich für die Reise aus und warteten auf die restlichen Kampfflieger, die Captain Criss angefordert hatte. Dr. Smith bestellte noch ein paar Geräte für sein physikalisches Labor, die er zur Analyse von Naturphänomenen brauchte. Auch die anderen Wissenschaftler, allen voran die Botanikerin Dr. Beatrice Sullivan, deckten sich mit Ausrüstung ein. Zak bekam keine Ruhe. Regelmäßig wurde er hin und her geschickt, überbrachte Nachrichten und beförderte Kisten und andere Gegenstände mit einem kleinen HoverCarrier vom Schiff zum Hangar und umgekehrt. Daher war er der erste der mitbekam, wie sich Admiral Foster mit zwei Männern und zwei Frauen in Fliegeruniform näherte. Zak lieferte schnell seine Ladung bei Mr. Johnston ab und eilte dann zum Captain, um ihn über die Ankunft des Admirals zu informieren. Zak bewunderte Captain Criss. Er hatte sich vorgenommen, eines Tages genau so wie Criss ein eigenes Raumschiff zu fliegen. Schließlich hatte jeder mal klein angefangen. Aber wenn er erst einmal Captain war, würde er diese Arbeit endlich vergessen können. Captain Cooke. Ja, das klang gut.

»Captain Criss!« schallte die klare dunkle Stimme des Admirals über den Platz. Gordon ging hinüber und salutierte.

»Ja, Sir?«

»Das sind die Flieger, die Sie angefordert hatten. Cummings war leider nicht verfügbar, aber ich denke, Sie sind mit Lieutenant Frances Post ebenso zufrieden.«

»Natürlich Sir.« Er salutierte noch einmal und führte dann die Piloten zum Schiff. Dort suchte er Leigh auf, damit er den neuen Fliegern ihre Kampfgleiter zeigte. »Das sind Lieutenant Neil Warden, Lieutenant Jennifer Perkins, Lieutenant Ron Jones und Lieutenant Frances Post. Sie werden zusammen mit Ihnen Kampfeinsätze fliegen.«

»Jawohl, Sir. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihre Flieger.«

Je später es wurde, desto ruhiger wurde der Landeplatz. Der größte Teil der Besatzung hatte in den Militärgebäuden einen Schlafplatz bekommen und der Rest der Mannschaft verbrachte die letzte Nacht auf Parax auf der Silver Wing. Das Schiff war bereit, in den nächsten Stunden loszufliegen. Sam O'Rileigh konnte nicht schlafen. Das war immer so. In der Nacht vor dem Aufbruch zu einem größeren Auftrag bekam er selten genug Schlaf. Wie heute auch, stieg er meistens aus und wanderte ein wenig herum. Er ging zu dem kleinen Nebenausgang und drückte die Taste zum Öffnen. Leise glitt die Tür beiseite und eine Leiter fuhr heraus bis auf den Boden des Landeplatzes. O'Rileigh stieg aus und wanderte über den Landeplatz zwischen den verschiedenen Gleitern und Raumschiffen hindurch.

- * -

»Mrs. Walker, kommen Sie doch einmal her.«

Jody fluchte innerlich. Es war schon nach zwei Uhr, und sie wollte nicht noch später nach Hause kommen. Noch dazu war diese Gegend nachts nicht die sicherste. Widerstrebend gehorchte sie und ging zu ihrem Chef hinüber. »Was gibt es denn noch, Mr. Barrings?«

»Ich werde meinen Laden für eine Woche dichtmachen«, sagte er. »Du brauchst also die nächste Woche nicht hierzusein. Mach dir ein paar schöne Tage.« Damit reichte er ihr ein Bündel mit dreihundert Dollar.

»Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte Jody höflich und nahm das Geld.

»Das ist nicht der Rede wert. Sie sind schließlich meine beste Mitarbeiterin.«

Das sah ihm ähnlich. Jody wußte schon längst, daß er ein Auge auf sie geworfen hatte. Aber mit einem Mann in seinem Alter wollte sie nichts anfangen. Er war schließlich beinahe zwanzig Jahreszyklen älter als sie. »Vielen Dank«, wiederholte sie. »Ich glaube, ich kann den Urlaub gut gebrauchen. Jetzt muß ich mich aber beeilen. Ich möchte nicht so spät noch draußen herumlaufen.«

»Dann gute Nacht, Mädchen. Bis nächste Woche.«

Jody verabschiedete sich kurz, nahm ihre Sachen und verließ den kleinen Supermarkt. Draußen war es kühl geworden und sie zog ihren Mantel enger um sich. Die Laternen beleuchteten die Straßen nur spärlich und im Hintergrund zu ihrer Linken konnte sie die Lichter des Raumhafens sehen. Eilig ging sie weiter. Sie wollte die SubEarth-Station so schnell wie möglich erreichen, um nicht zu lange hier draußen herumrennen zu müssen. Dann hörte sie Stimmen hinter sich. Mehrere verschiedene Stimmen. Mit klopfendem Herzen ging sie weiter, sie gab vor, nichts zu hören. Aber bald schon wurden die Stimmen so laut, daß sie sie unmöglich überhören konnte.

»Was sehe ich denn da?« Eine junge Männerstimme. »Das muß ich mir aus der Nähe betrachten.« Die Schritte hinter Jody wurden schneller und lauter. Plötzlich tauchte einer der Männer rechts von ihr auf und schnitt ihr den Weg ab. Sie bog nach links ab und wollte davonrennen, aber auch dort stand schon einer der Kerle. Sie war umzingelt. Furchtsam steckte sie ihre rechte Hand in ihre Manteltasche, wo sie ihr Elektroschockgerät verbarg. Die jungen Männer, alle gleich gekleidet, hatten einen Kreis um sie gebildet und einer von ihnen, ein großer stämmiger Kerl mit einem Stirnband, kam auf sie zu. Das mußte ihr Anführer sein. »Süß, süß«, sagte er und betrachtete sie eingehend. »Was für ein süßes unschuldiges Gesicht du hast. Ich schätze, daß alles an dir so unschuldig ist, nicht wahr?« Er hob ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger an. Jody schüttelte ihn ab und machte einen Schritt zurück. »Okay, okay«, sagte er und hob beschwichtigend seine Hände. Dabei ging er wieder auf sie zu. Jody wich weiter zurück. »Was hast du denn? Du brauchst keine Angst zu haben. Wir wollen doch nur ein wenig Spaß haben!« Bei den letzten beiden Worten sprang er nach vorne und Jody prallte rücklings gegen einen der Kerle, die sie umringten. Dieser packte ihre Arme von hinten und hielt sie fest. Aber Jody gab nicht auf. Mit aller Kraft trat sie nach hinten aus und der Kerl lockerte seinen Griff. Sie riß sich los und rannte an dem sich vor Schmerzen krümmenden Typen vorbei. Sie versuchte zu fliehen, doch der Kerl mit dem Stirnband hielt sie fest. Sofort zog sie ihren Paralyzer aus der Tasche und zielte auf den Anführer. Ein kurzes Summen ertönte und ein erstickter Schrei. Dann fiel er zu Boden. Jody wirbelte herum und rannte so schnell sie konnte davon. Die anderen folgten ihr. Im Laufen zog sie sich ihre Schuhe und ihren Mantel aus, die sie bei ihrer Flucht behinderten. Dann rannte sie weiter. Plötzlich tauchte vor ihr einer der Kerle auf und packte ihr T-Shirt, auf dem sich der Werbeaufdruck des kleinen Supermarktes befand. Sie riß sich los und der Stoff platzte auseinander. Sie trug nun nur noch ein paar Fetzen davon, aber sie war wieder frei. Während sie rannte bemerkte sie, daß sie sich auf den Raumhafen zubewegte. Vielleicht konnte sie ihre Verfolger dort abhängen. Blitzschnell verschwand sie hinter einem Haufen aus Metallteilen und blieb kurz mit ihrer abgeschnittenen Jeanshose an einem verrosteten Stück eines Bleches hängen. Der Stoff riß ein und darunter kam ein blutiger Kratzer zum Vorschein. Jody unterdrückte einen Aufschrei und rannte weiter. Sie hörte, wie die Kerle weiter nach ihr suchten und es konnte nicht lange dauern, bis sie sie hier fanden. Gehetzt blickte sie sich um. Vor sich sah sie eines der großen Raumschiffe und dort war eine Leiter, die zu einer offenen Luke führte. Ohne zu überlegen rannte sie dorthin und stieg die Leiter hinauf. Oben angekommen, betrat sie einen erleuchteten Gang und blickte zurück. Sie hatten sie nicht gesehen. Die Tür schloß sich hinter ihr. Sie blickte sich um und entdeckte einen weiteren Durchgang, an dem Lager stand. Sie ging zu dieser Tür und öffnete sie leise. Dahinter war es dunkel. Sie schlüpfte hinein und schloß den Eingang hinter sich. Vorsichtig tastete sie sich an den vielen Kisten und Säcken vorbei und setzte sich an die hintere Wand. Kurz darauf war sie eingeschlafen.

3. Kapitel: Abflug

Sam erwachte auf seiner Liege. Er war sehr spät zurückgekommen, aber der Abend und vor allem die Nacht waren schön gewesen. Die Musik im Star-Café und die Drinks hatten ihn bisher immer durch seine Schwierigkeiten geholfen. Natürlich hatte da auch ein hübsches junges Mädchen namens Lona ihr Übriges dazu getan, damit er sich wohlfühlte. Bei der Erinnerung daran mußte er grinsen. Hatte er wirklich den Größten? Lona hatte das jedenfalls gesagt. Sam mußte sich beherrschen, damit er nicht laut loslachte und die anderen weckte, die um ihn herum schliefen. Nun war er bereit zu fliegen. Leise zog er sich an und ging durch die Tür auf den Korridor, der zur Brücke führte. Dort fand er den Captain, der einsam vor den Bildschirmen und Bedienelementen stand. »Guten Morgen, Captain«, begrüßte er ihn. Criss zuckte zusammen und drehte sich um. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe.«

»Schon in Ordnung«, sagte Criss. »Ich war ganz in Gedanken. Ich bin jedesmal aufs Neue nervös, wenn es einen neuen Flug zu absolvieren gibt.«

»Mir geht es genauso«, sagte O'Rileigh mitfühlend. »Wohin soll es denn diesmal gehen? Was hat der Admiral gesagt?«

»Ich weiß nicht wohin wir fliegen sollen, aber der Admiral« – Criss legte seine gesamte Verachtung in den Titel – »meint, wir sollten uns auf die Suche nach den Plänen für die Carat machen.«

Während sie sprachen, betraten ein paar der übrigen Crewmitglieder einer nach dem anderen die Brücke.

O'Rileighs Augen weiteten sich vor Unglauben. »Die Carat? Aber niemand weiß, wo Dr. Calvin sie versteckt hat. Das könnte überall sein. Wir haben mehrere tausend besiedelte Planeten und wer weiß wie viele unerforschte.«

»Das habe ich dem Admiral auch klarzumachen versucht. Aber er hat es nun mal angeordnet, und wir müssen tun was er verlangt. Übrigens haben die Oluster den gleichen Plan.«

O'Rileigh wurde bleich. »Glauben Sie, die wissen, wo die Pläne sind?«

»Sie scheinen jedenfalls gewisse Anhaltspunkte zu haben. Ohne guten Grund beginnen die Oluster niemals eine Sache.«

»Dann gilt es herauszufinden, was die Oluster wissen, was wir nicht wissen und, vor allem, woher sie's wissen.«

»Ja, Sie haben recht, Sam. Gut, wir werden uns am besten gleich, nachdem wir die Umlaufbahn verlassen haben, darüber informieren. Machen Sie alles zum Start bereit, Sam.«

Das Funkeln in den Augen des Piloten war nicht zu übersehen. »Aye aye, Sir.«

Mrs. Glover rief über das InterCom die restliche Mannschaft zusammen, und fünf Dezimen später schloß sich die Einstiegsluke hinter Zak, der gerade noch mit der letzten Ladung Trockenkeksen auf seinem HoverCarrier ankam.

- * -

Jody erwachte, als sich die Tür zum Lagerraum öffnete. Wie lange hatte sie geschlafen? Sie wußte es nicht. Von draußen kam das leise Rauschen eines Hover, der seine Ladung in das Lager brachte. Der Fahrer durfte sie nicht bemerken! Wenn er weg war, würde sie zusehen, daß sie hier raus kam und endlich nach Hause gehen konnte. Aber der Hover kam näher. Sie sah, daß er ein großes Paket auf seinen Ladegabeln hielt. Der Fahrer lenkte den Hover genau zu ihr hin, doch konnte er sie wegen seiner Ladung nicht sehen. Dann blieb er stehen und senkte die Ladung ab. Jody verbarg sich dahinter. Der Hover wendete und fuhr wieder hinaus.

- * -

»Silver Wing an Parax-Tower. Erbitte Starterlaubnis für Korridor 376-25. Over.«

»Starterlaubnis für Korridor 376-25 erteilt, Silver Wing. Guten Flug. Over.«

»Vielen Dank. Silver Wing Ende.« Lieutenant Glover legte das Mikrofon beiseite und Sam begann mit dem Startmanöver.

»Triebwerke drei und vier vollen Schub.«

»Aye aye«, sagte Lieutenant Dinks. Sie schaltete die Triebwerke ein, und ein lautes Heulen ging durch das Schiff, gefolgt von Vibrationen und einem leichten Aufwärtsdruck.

»Umschalten auf künstliche Gravitation, Johnston.«

Mike schaltete um. Wieder überkam Gordon das Schwindelgefühl. Er mußte sich an seinem Stuhl festhalten, um nicht zu stürzen.

»Vorbereiten zum verlassen der Anziehungskraft.« Nancy gab dem Hilfstriebwerk einmal vollen Schub, ein kurzes Rumpeln ging durch das Schiff, und dann war wieder alles ruhig. »Triebwerke drei und vier umschalten auf Intergalaktisches Antriebssystem.« Das Heulen wich einem tiefen Brummen und sie waren unterwegs.

- * -

Jetzt kann ich es wagen, dachte Jody, nachdem sich die Tür geschlossen hatte. Vorsichtig schlich sie sich an den Kisten vorbei und zum Ausgang. Sie öffnete ihn und blickte in den Korridor. Rechts konnte sie noch den Rücken des Hovers sehen, der langsam den Gang hinunterglitt. Vor ihr war die Ausstiegsluke. Plötzlich hörte sie ein Zischen. Dann ein lautes Heulen. Die nachfolgenden Vibrationen und die plötzliche Aufwärtsbewegung brachten sie aus dem Gleichgewicht. Sie stürzte zu Boden. Ihr wurde schwindelig, und sie konnte nur mit Mühe einen Brechreiz unterdrücken. Kurz darauf verstummte das Heulen und dann war nur noch ein gleichmäßiges Brummen zu hören. Sie rappelte sich wieder auf und ging rasch zu der Notluke, durch die sie am Abend zuvor hereingekommen war. Doch sie ließ sich nicht öffnen. Die rote Lampe über der Tür bedeutete: Durchgang gesperrt. Und die gleiche Lampe leuchtete über der Ausstiegsluke. Sie ging zu einem der geschlossenen Aussichtsluken und öffnete das Verdeck. Sie blickte hinaus und konnte nicht verhindern, daß ihr Herz einen Schlag lang aussetzte. Sie sah ihren Heimatplaneten, Parax, aber er war weit, weit weg und wurde immer kleiner. Jetzt begriff sie. Sie flogen. Ängstlich ging sie in den Lagerraum zurück. Was sollte sie nun tun?

- * -

Während die Silver Wing ihre Geschwindigkeit ständig erhöhte, dachte Captain Criss über ihr Ziel nach. Die Oluster hatten anscheinend irgendwie herausbekommen, wo die Pläne waren, oder zumindest hatten sie eine Spur. Der einzige Ort den Criss sich vorstellen konnte, an dem man etwas über diese Sache erfahren konnte, war das Forschungslabor auf dem Planeten Fauran, das zu Lebzeiten Dr. Calvins unter seiner Leitung stand und wo er sich seinen Forschungen widmete. Das sollte also ihr erstes Ziel sein. Criss nahm in der Mitte des Kommandoraumes auf dem Kapitänssessel Platz und wartete darauf, daß O'Rileigh und McDowell den Sprung in den Hyperraum vorbereiteten.

Es dauerte sechs Dezimen, bis sie soweit waren. McDowell berichtete, daß alles klar sei, um in den Hyperraum einzutreten. »Gut«, sagte Criss. »Bereiten Sie das Schiff vor. O'Rileigh, nehmen Sie Kurs auf Fauran. Vielleicht werden wir dort etwas von Interesse erfahren.«

Jetzt ging alles wie von selbst. Der Eintritt in den Hyperraum war ein Standardmanöver, das jede Crew im Schlaf beherrschte. So war es auf der Silver Wing nicht anders. O'Rileigh holte sich von Chief Navigator Harriet Gent die Koordinaten für den Zielort und beauftragte dann Mike Johnston, die Triebwerke auf den Hypersprung vorzubereiten. Währenddessen überprüfte Anthony Forest den Zielort auf eventuelle Hindernisse, die ihren Anflug behindern würden. Er fand keine und so begann die letzte Phase der Vorbereitungen. Victor Brooks gab die Koordinaten des Planeten in den Computer ein, und alles bereitete sich auf den Hypersprung vor. Die blecherne Computerstimme des Navigationssystems hallte durch den Raum. »Hypersprungziel eingestellt – Sprung erfolgt in zehn Sekunden – neun – acht – sieben – sechs« - Criss umklammerte die Lehne seines Stuhles. Es war zwar nicht notwendig, doch gab es ihm eine gewisse Sicherheit. Der Countdown ging weiter. »Fünf – vier – drei – zwei – eins – null. Hypertriebwerke gezündet.«

Es gab ein lautes Rumpeln und Criss wurde in seinen Sitz gedrückt. Die Sterne, die sich auf dem Bildschirm bisher nicht bewegt hatten, begannen nun zu wandern, und je schneller das Schiff wurde, desto länger wurden die Streifen, die sie auf dem Schirm hinterließen. Das Rumpeln schwoll zu einem lauten Heulen an.

- * -

Jody dachte nach. Sie befand sich in ernsthaften Schwierigkeiten. Irgendwie mußte sie nach Hause kommen, aber es gab keinen Weg dorthin. Die Mannschaft des Schiffes durfte sie nicht entdecken, aber andererseits waren sie die einzigen Leute die wußten, wie sie zurückkommen konnte. Sie stand auf und ging erneut zu der Tür, die auf den Korridor führte. Doch auf halben Wege dorthin vernahm sie plötzlich ein lautes Rumpeln und einen Augenblick später glitt der Boden unter ihr weg, und sie stürzte rücklings gegen das Paket, das der Hover als letztes eingeladen hatte. Ein Heulen steigerte sich immer weiter und weiter. Hier im Lagerraum, der natürlich nicht so gut gegen die Triebwerksgeräusche abgeschirmt war wie der Kommandoraum, war die Lautstärke des Heulens kaum zu ertragen. Angstvoll klammerte sie sich fest und wartete.

- * -

Weniger als eine Dezime später hatte das Schiff die Hyperraumgeschwindigkeit erreicht und Criss konnte sich wieder aufrichten. Der Schirm zeigte nun absolute Dunkelheit. Sie befanden sich im Hyperraum. Nur etwa zwei Stunden, und sie waren in der Nähe von Fauran, dreizehn Lichtjahre von Parax entfernt. Dort würden sie landen und das Forschungsinstitut aufsuchen. Wenn sie dort nur etwas von Wichtigkeit fanden. Dann hätte ihre Mission wenigstens eine Chance. Aber die Oluster würden, wenn sie die Informationen von dort erhalten hatten, mit Gewißheit dafür sorgen, daß niemand anderes an sie gelangen konnte. Das war ein Problem, mit dem sie sich dann wahrscheinlich auseinandersetzen mußten.

4. Kapitel: Eine Mücke im Vogelschwarm

Die Zeit verging und nichts geschah. Seit sie wieder aufstehen konnte, war wieder alles ruhig. Ein gleichmäßiges Sirren lag in der Luft. Sie wußte immer noch nicht, ob sie sich besser verborgen halten sollte, oder ob es günstiger wäre, sich zu stellen. Vielleicht flogen sie ja auch nur kurze Zeit von Parax weg und kehrte bald dorthin zurück. Dann könnte sie wieder unbemerkt von Bord schlüpfen. Wenn sie sich aber stellte, war diese Chance vorbei. Andererseits konnte es aber auch sein, daß das Schiff zu einer weiteren Reise unterwegs war. Dann wäre es zweifellos besser, sich jetzt zu melden, denn später waren sie wahrscheinlich schon zu weit von ihrem Heimatplaneten weg, um noch irgend etwas ausrichten zu können. Hin und hergerissen von ihren Überlegungen bemerkte sie, daß sie Hunger bekam. Sie blickte sich um. Auf dem Paket, an dem sie sich vorhin festgehalten hatte, waren die Worte Trockengebäck, Notration aufgedruckt. Jody fand, daß diese Notration für ihre Notlage genau richtig waren und so begann sie, den Deckel der Kiste anzuheben. Er war sehr schwer und sie konnte ihn immer nur wenige Bruchteile eines Zolls zur Seite schieben, bevor sie ihn wieder absetzen mußte. Nach einer Dezime hatte sie den Deckel ein ganzes Stück beiseitegeschoben und der Inhalt der Kiste kam zum Vorschein. In klare Plastikfolien waren eine Menge Kekse eingeschweißt, immer zehn Stück pro Beutel. Sie nahm zwei dieser Beutel heraus und legte sie in eine Ecke. Dann begann sie, den Deckel wieder zuzuschieben.

Sie hatte es gerade halb geschafft, als sie Stimmen im Korridor hörte, die sich dem Lager näherten. Verzweifelt riß und zerrte sie an dem Deckel, doch er bewegte sich nicht schneller als zuvor. Dann leuchtete plötzlich eine grüne Lampe an der Tür auf und Jody konnte sich gerade noch hinter der Kiste verstecken, bevor die Tür zur Seite glitt. Sie hörte, wie zwei Personen das Lager betraten und sie zog sich hinter eine Menge Kisten zurück, die wie eine Art Wand aufgetürmt waren.

- * -

»Sir, ich glaube, wir haben ein kleines Problem.« Johnston stand auf und ging zu Captain Criss hinüber. »Der Umwerter für die Hyperraumpeilung beginnt sich zu überhitzen. Ich muß ins Lager und meine Meßausrüstung holen.«

»In Ordnung, Johnston. Nehmen Sie Zak mit, er kann Ihnen beim Tragen helfen.«

Mike ging gefolgt von Zak in den Korridor hinaus. »Was ist das eigentlich für ein Planet, zu dem wir jetzt fliegen«, fragte Zak, während sie gingen.

»Fauran ist der Planet, auf dem Dr. Calvin gelebt hat.«

»Dr. Calvin?«

»Ja, der Entwickler der Carat. Der Captain erhofft sich die Möglichkeit, dort etwas über den Verbleib der Pläne herauszufinden.«

Zak nickte. »Und Sie glauben auch, daß die Oluster tatsächlich darüber Bescheid wissen?«

Sie waren nun an der Tür zum Lager angekommen. »Ich will hoffen, daß noch nicht alles zu spät ist«, sagte Mike und drückte auf den Knopf. Die Tür glitt zur Seite und sie betraten das Lager. Zak schaltete das Licht ein und der Ingenieur begann, nach seinen Meßgeräten zu suchen. Er fand sie inmitten von einer Menge Kisten und Kartons, in denen verschiedenste elektronische Geräte eingepackt waren. Er gab Zak einen großen Karton und nahm selbst ebenfalls zwei Kisten mit. Dann gingen sie wieder hinaus. Auf dem Weg in die Kommandozentrale kam Zak ein Gedanke. Er sprach ihn nicht aus, sondern beschloß, der Sache allein nachzugehen. Nachdem sie die Geräte vor der Schalteinheit abgeladen hatten, wo Johnston den Fehler vermutete, entschuldigte sich Zak mit der Begründung, er müsse im Lager noch das Licht ausmachen.

Zak öffnete die Tür zum Lager und trat ein. Er schloß den Durchgang hinter sich und blickte sich um. Der Deckel der Kiste mit den Notrationen lag immer noch so, wie er ihn vorhin gesehen hatte. Irgend jemand hatte sich daran zu schaffen gemacht, denn als er die Kiste ins Lager gebracht hatte, war sie zu gewesen, das wußte er ganz genau. Und da nach ihm niemand mehr im Lager gewesen war, mußte sich hier noch jemand aufhalten. Zak griff nach seiner kleinen Laserpistole an seiner Seite und entsicherte sie. Die Waffe war zwar nicht die stärkste, aber man konnte sich durchaus mit ihr sicher fühlen. Vorsichtig ging er ein paar Schritte weiter in den Raum hinein. Immer wieder blickte er sich um, ob er nicht vielleicht jemanden entdecken konnte, der sich hinter den Kisten versteckt hielt. Er näherte sich einer hochgetürmten Kistenwand. Vor ihr lagen zwei Pakete der Notrationen. Sie waren nicht geöffnet. Jetzt wurde Zak noch vorsichtiger. Er stellte sich an den Rand der Kistenwand und hob seine Pistole. Mit einem Ruck sprang er vor und zielte mit der Waffe hinter die Wand. Dort sah er ein junges Mädchen, das sich aus Furcht vor ihm an die hintere Wand drängte und sich mit der Hand ihr zerfetztes T-Shirt vor der Brust zusammenhielt. Dieser unerwartete Anblick ließ Zak zögern. Was sollte er jetzt machen?

»Bitte schießen Sie nicht«, flüsterte das Mädchen. Eine dicke Träne rollte über ihre rechte Wange.

»Ich werde nicht schießen«, sagte Zak. Er ließ die Waffe sinken und ging auf sie zu. Er kniete sich vor ihr auf den Boden und blickte sie an. »Wer sind Sie?«

»Ich heiße Jody Walker. Ich bin zufällig hier hineingeraten und als ich wieder hinauswollte, war es zu spät.«

»Wie ist das passiert?«

Langsam erzählte das Mädchen ihm ihre Geschichte. Zak hörte ihr zu und dachte über diese neue Situation nach. Es gab wohl kaum eine Möglichkeit, sie zurück nach Parax zu bringen, selbst Captain Criss würde das nicht können, davon war er überzeugt.

Nachdem sie ihre Erzählung beendet hatte, sah sie ihm in die Augen. »Was werden Sie jetzt tun? Werden Sie mich gefangennehmen?«

»Oh nein. Ich bin nur ein Botenjunge. Aber ich glaube, der Captain würde es nicht gerne hören, daß wir einen blinden Passagier an Bord haben. Aber er muß es ja nicht unbedingt erfahren.«

»Was meinen Sie?«

»Ich meine, ich werde ihm nichts sagen. Vielleicht finde ich einen Weg, Sie zurückzubringen. Inzwischen müssen Sie sich hier absolut ruhig verhalten.«

Sie blickte ihn überrascht an und Zak wandte sich ab. Ob er wohl das Richtige getan hatte? Egal, er würde sie nicht verraten. Sie war sehr hübsch, das mußte man wirklich zugeben. Mühsam rückte er den Deckel wieder an seinen Platz, löschte das Licht und schloß die Tür.

- * -

Captain Criss beobachtete seinen Chefingenieur, wie er zusammen mit dem Elektroniker Victor Brooks an dem Umwerter arbeitete. Eine Dezime später hatten sie den Schaden behoben und bauten das Gehäuse wieder zusammen. Mike wollte seine Ausrüstung gerade zurückbringen, als Zak in der Tür erschien.

»Oh, Mr. Johnston, lassen Sie mich das machen«, sagte der Junge. »Sie haben bestimmt noch viel zu tun.« Zak nahm einen der Meßkoffer und begann, ihn zum Lager zu schleppen. Als er dort ankam hörte er, wie jemand hinter ihm den Gang hinunter kam. Es war Mike, der den zweiten Koffer trug.

»Es ist zwar nett von dir mir helfen zu wollen«, sagte Johnston, »aber ich glaube, zwei Koffer sind wohl doch zuviel für einen Mann.«

»Sie können den Koffer hier abstellen. Ich werde ihn schon hineintragen.«

»Ich glaube, du nimmst deine Aufgabe als Bote viel zu ernst. Es wird mich nicht überlasten und wir werden schneller fertig sein, wenn ich diesen Koffer selbst ins Lager bringe.«

»Sicher«, sagte Zak und überlegte schnell. »Oh, ich glaube der Captain hat nach Ihnen gerufen«, sagte er dann und griff nach dem Koffer, den Mike in der Hand trug. »Ich erledige das schon.« Mike ließ los und ging den Gang zur Brücke zurück. Zak seufzte erleichtert, öffnete die Tür zum Lager und brachte die Koffer einzeln hinein.

Auf der Brücke trafen Lieutenant Gent und Sam O'Rileigh die Vorbereitungen zum Austritt aus dem Hyperraum. Criss setzte sich in seinen Sessel und schnallte sich an. Er hob sein InterCom an den Mund und drückte die Sendetaste.

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»An alle Besatzungsmitglieder. Hier spricht Captain Criss. Wir verlassen jetzt den Hyperraum. Bitte treffen Sie alle Vorbereitungen.«

Zak schaltete sein InterCom ab. Das Mädchen blickte ihn fragend an. »Es wird gleich etwas rumpeln«, sagte Zak. »Sie sollten sich irgendwo festhalten.« Sie griff nach dem großen Paket in der Nähe und Zak hielt sich an der Säule fest, die die Decke stützte. Nur wenige Augenblicke später heulten die Triebwerke auf und Zak hielt sich krampfhaft fest, um nicht herumgeschleudert zu werden. Das Mädchen klammerte sich an die Kiste und hielt ihre Augen geschlossen. In dieser Situation bemerkte Zak ihr zerrissenes T-Shirt.

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Als sie endlich den Hyperraum verlassen hatten, ließ sich Criss das Bild ihres Zieles auf den Monitor blenden. Der Planet war noch weit entfernt, aber man konnte schon deutlich das große Raumschiff sehen, das scheinbar auf sie wartete. Criss befahl, die Triebwerke abzuschalten und den Radardeflektor einzuschalten, damit die feindlichen Schiffe sie nicht orten konnten, solange sich die Silver Wing nicht bewegte. Er tippte auf den Tasten unterhalb des Monitors herum und ließ sich das Bild des Planeten vergrößern. Kein Zweifel, das Schiff gehörte zur Flotte der Oluster und Criss würde jede Wette eingehen, daß das Schiff dafür sorgen sollte, daß niemand Dr. Calvins Forschungsstätte betrat. Es würde extrem schwierig werden, den Planeten anzufliegen.

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Nach verlassen des Hyperraumes hatte Zak das Mädchen kurzzeitig alleine gelassen, um für sie eines seiner Hemden zu holen. Jody nahm es dankbar entgegen und zog es über ihr T-Shirt. Dann wollte sie ihn noch etwas fragen doch sie spürte, daß sie eine dringende Notdurft verrichten mußte. Sie sprach mit Zak darüber und auch er dachte, daß das in Zukunft zu einem Problem werden würde.

Er blickte hinaus in den Korridor. Als er feststellte, daß alles frei war, winkte er ihr zu und sie folgte ihm leise. Er führte sie links den Gang hinunter, um eine Biegung herum und wies auf eine Tür in der linken Wand. Sie schlüpfte hinein und Zak wartete ungeduldig, bis sie kurz darauf wieder zurückkam. Dann brachte er sie wieder ins Lager und entschuldigte sich. »Ich muß wieder auf die Brücke. Die werden sich ohnehin schon fragen, wo ich wohl bleibe.«

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Im Kommandoraum nahmen gerade die Kampfpiloten die Anweisungen des Captain entgegen. Scheinbar gab es Schwierigkeiten. »Also, wie ich bereits erwähnt habe, werden Sie die Oluster aus sicherer Entfernung attackieren, während wir unsere Mücke losschicken. Gehen Sie kein unnötiges Risiko ein. Das ist kein Kampf, sondern nur ein Ablenkungsmanöver. Leigh, Sie führen das Geschwader an. O'Rileigh, Sie werden die Mücke steuern, während Lieutenant Dinks die Silver Wing übernimmt. McDowell, Sie haben das Kommando, während ich weg bin. Ist Zak wieder da?« Der Captain blickte umher, bis er den Jungen an der Tür erblickte. »Gut. Benachrichtige Dr. Smith und die restlichen Wissenschaftler, damit sie sich für den Abflug bereitmachen. Brooks, Sie kommen ebenfalls mit uns. Außerdem brauche ich noch Mrs. Core-Parks, für den Fall, daß wir ärztliche Hilfe benötigen. Das wäre alles.« Zak stürzte hinaus und eilte den Korridor hinunter, bog ein paar Mal ab und stand schließlich vor den beiden HoverLifts, die die drei Etagen des Schiffes miteinander verbanden. Er drückte den Knopf und die Tür glitt auf. Zak betrat die kleine Kabine und wählte das Untergeschoß an der Knopfleiste aus. Lautlos schloß sich der Lift und glitt hinunter. Dort angekommen, stieg Zak aus und eilte den Gang entlang, bis er an die Tür mit der Aufschrift Laboratorium gelangte. Durch die Tür hindurch konnte Zak bereits hören, wie jemand im Labor arbeitete. Er betrachtete die Leuchten, die über dem Eingang angebracht waren. Grün, alles klar. Zak betrat das Labor und im gleichen Augenblick schlug ihm der Geruch nach Chemikalien und anderen Stoffen entgegen. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie die Leute es hier aushalten konnten. Er durchquerte den ersten Raum, in dem eine Menge Gefäße standen und betrat das dahinterliegende Chemielabor. Dr. Watts saß mit dem Rücken zu ihm an einer Maschine, die merkwürdige Laute von sich gab. Als er Zaks Schritte hinter sich vernahm, drehte er sich um. »Oh, hallo Zak. Wie geht's?«

»Danke, gut, Mr. Watts.«

»Prächtig, mein Junge. Ich arbeite gerade an einer Probe... aber deswegen bist du ja wohl nicht hier. Was kann ich für dich tun.«

»Der Captain möchte, daß Sie und die restlichen Wissenschaftler ihn auf einer Mission auf dem Planeten Fauran begleiten. Sie sollen sich zum Abflug bereitmachen und auf die Brücke kommen.«

»In Ordnung«, sagte Dr. Frank Watts und erhob sich. »Ich werde den anderen Bescheid geben. Gehe inzwischen zurück und sage dem Captain, daß alles in Ordnung ist.«

»Jawohl, Sir.« Zak verließ den Raum und machte sich wieder auf den Weg zur Brücke. Inzwischen packte der Chemiker seine Sachen zusammen, schaltete die Maschine ab, an der er gearbeitet hatte und ging dann ins nächste Labor, um der Geologin Laura Surcombe von dem Auftrag des Captains zu berichten. Laura verständigte die übrigen Forscher und nachdem sie alle ihre Ausrüstungen gepackt hatten, begaben sie sich zur Brücke, wo Captain Criss bereits auf sie wartete. Zak war währenddessen weitergehastet und suchte auf der Krankenstation im oberen Deck nach Rita Core-Parks, die den Captain ebenfalls begleiten sollte

Es dauerte nicht lange, bis die gesamte Besatzung der Mücke im Kommandoraum versammelt war: Captain Gordon Criss, der Pilot Sam O'Rileigh, die Krankenassistentin Dr. Rita Core-Parks, Botanikerin Beatrice Sullivan, Physiker Patrick Smith, Geologin Laura Surcombe, Biologe Christopher Ravel, Chemiker Frank Watts und der Elektroniker Victor Brooks. Captain Criss hatte auf seinem Sitz in der Mitte des Raumes Platz genommen und erklärte seiner Mannschaft die Situation.

»Wie Sie sehen, befinden wir uns in der Nähe des Planeten Fauran. Ich vermute, Sie alle wissen, daß Dr. Calvins Forschungen auf diesem Planeten durchgeführt worden sind. Allerdings sind wir nicht die einzigen, die davon wissen. Die Oluster haben es ebenfalls gewußt und nun können wir nicht landen, ohne einen Angriff zu riskieren. Wir müssen also auf eine andere Weise dort hinuntergelangen.«

»Glauben Sie denn, daß auf dem Planeten etwas von Interesse zu finden ist?« fragte Watts.

»Ich hoffe es. Offensichtlich haben die Oluster hier etwas gefunden, denn sonst wären sie nicht so erpicht darauf, jede Landung zu verhindern. Wir werden aber dennoch dort landen.«

»Aber wie?« wollte Mrs. Surcombe wissen. »So wie ich die Situation einschätze, wird uns das Kampfschiff innerhalb von wenigen Dezimen zu Staub verwandeln.«

Criss beugte sich vor. »Hier nun beginnt unsere Mission. Lieutenant Leigh und seine Kampfeinheit werden die Oluster angreifen und in einen Kampf verwickeln, während wir mit einer kleinen Kapsel auf den Planeten fliegen. Der Gleiter ist so klein, daß er von ihren Radarsystemen nicht erfaßt werden kann und im Eifer des Gefechtes werden sie uns nicht einmal sehen. Aber dennoch sollten Sie Ihre Waffen mitnehmen.«

»Ich hoffe, daß Sie recht behalten, Sir«, sagte Ravel.

Eine Dezime, nachdem die Kapsel die Silver Wing verlassen hatte, starteten Leigh und Mullingan ihre Kampfgleiter. Warden, Perkins, Jones und Post folgten dichtauf. Sie nahmen ihre Kampfformation ein und steuerten auf das Schiff zu, das vor ihnen immer größer wurde. Als sie sich in Schußweite befanden, gab Leigh den Feuerbefehl. Das Geschwader strömte auseinander und aus sechs verschiedenen Richtungen begannen sie, das feindliche Schiff zu beschießen. Nach der ersten Salve, die allerdings nur geringen Schaden anrichtete, drehten sie ab und formierten sich in sicherer Entfernung neu. Nur wenige Momente später starteten die ersten Schiffe der Oluster und nahmen Kurs auf Leighs Geschwader. Leigh gab den Befehl, auszuschwärmen und die feindlichen Jäger aus sicherer Entfernung weiter zu attackieren. Währenddessen hielt die kleine Kapsel auf den Planeten zu und ihre Besatzung (ausgenommen O'Rileigh) beobachtete gespannt den Kampf, der um sie herum tobte.

Mehrere Dezimen später, die Schlacht wogte indessen hin und her, schien ein Kämpfer der Oluster bemerkt zu haben, welchen Zweck dieser Angriff eigentlich hatte und er drehte ab, versuchte, die inzwischen weit entfernte Kapsel einzuholen. Ein paar der anderen folgten ihm, der Rest blieb zurück um die Angreifer weiter in Schach zu halten. O'Rileigh, der die Verfolger auf dem Scanner bemerkte, holte aus dem Gleiter die höchste Geschwindigkeit heraus, die möglich war.

»Verdammt, Captain. Die haben spitzgekriegt, was wir vorhaben. Die verfolgen uns.«

»Fliegen Sie weiter, O'Rileigh. Wir sind zwar nicht so wendig wie ihre Schiffe, aber wenigstens sind wir schneller.« So steuerte die Kapsel weiter auf den Planeten zu, während die feindlichen Schiffe sie verfolgten. Nach dem Eintritt in die Atmosphäre wurde die Kapsel langsamer und kam für eine Zeit lang in die Schußweite der Kampfflieger. Das bemerkte die Crew, als ein Schuß von einem ihrer Verfolger das Heck der Kapsel traf und die Insassen umherschleuderte. Nur O'Rileigh blieb wo er war, er hatte den Sitzgurt angelegt. Angestrengt vollführte er ein Ausweichmanöver, bis die Kampfflieger ebenfalls in die Atmosphäre gelangten und langsamer wurden. Die Kapsel schlingerte ein wenig durch den Treffer am Heck, aber Sam hatte den Gleiter voll unter Kontrolle. Es war nicht das erste Mal, daß er einen beschädigten Flieger sicher gelandet hatte. Ihr Abflug war so berechnet gewesen, daß sie in der Nähe der großen Labors herunterkommen würden, aber durch den Angriff waren sie ein wenig vom Kurs abgekommen und nun lagen die Labors in einiger Entfernung von ihrer momentanen Position. Sam berichtete, daß er den Gleiter nicht mehr bis dorthin halten könnte und so beschloß Criss, die Kapsel an der nächstmöglichen Stelle abzusetzen. Die Besatzung packte ihre Geräte und Ausrüstungen zusammen.

Wieder rüttelten Treffer der Angreifer die Kapsel durch. Ihre Geschwindigkeit verringerte sich zusehends und der Zustand der Außenhülle wurde kritisch. Mit schweißnasser Stirn steuerte der Pilot den kleinen Gleiter niedrig über die Oberfläche des Planeten und suchte verzweifelt einen geeigneten Landeplatz. Vor ihnen tauchte eine Bergkette auf, die mindestens zwölftausend Fuß aufragte. Sam überflog die Kuppe des Berges vor ihnen so knapp, daß er selbst glaubte, sie müßten ihn streifen. Dahinter erstreckte sich ein weites ebenes Tal. Sam ging sofort runter und begann mit dem Landemanöver. »Festhalten!« rief er. »Die Landung wird etwas unsanft sein.« Die Besatzung des Gleiters bereitete sich auf den Aufprall vor und einen Augenblick später krachte es. Mit großer Wucht schlug die Kapsel auf und schlitterte über den kahlen Felsboden. Krampfhaft versuchte O'Rileigh, den Gleiter zu bremsen. Schließlich kamen sie etwa dreihundert Fuß vor der gegenüberliegenden Bergkette zum Stehen. Dann war es still.

Das Piepsen des Scanners weckte sie aus ihrer Erstarrung. Die Oluster waren wieder hinter ihnen. »Öffnen Sie die Luke!« schrie Criss. »Wir müssen sofort hier raus!« Die Insassen des Gleiters verließen fluchtartig den Gleiter durch den Notausstieg. Hinter sich sahen sie die Flieger der Oluster, wie sie heranflogen. Gemeinsam rannten sie von der Kapsel weg auf das Gebirge zu. Sekunden später gab es einen lauten Knall und eine ohrenbetäubende Druckwelle schleuderte sie mehrere zehn Fuß fort. Danach war es wieder still.

Nachdem sie sich wieder aufgerappelt hatte, stellten sie fest, daß außer Victor Brooks niemand ernsthafte Verletzungen erlitten hatte. Brooks war bei seinem Sturz mit seinem rechten Oberarm auf einen vorstehenden Stein geprallt und blutete nun aus einer langen Rißwunde. Mrs. Core-Parks versorgte die Wunde, während Criss und O'Rileigh die Umgebung erkundeten.

5. Kapitel: Zeichen der Vergangenheit

Im Gänsemarsch erklommen die Mitglieder der Expedition den Berghang. Gordon und der Pilot hatten die Richtung herausgefunden, in der sich die Forschungsstätte befand. Bedauerlicherweise mußten sie, um dorthin zu gelangen, die Bergkette entweder umgehen oder überqueren. Aber da die Zeit ihr größter Feind war, entschieden sie sich für den Aufstieg. Sie hatten einen weiten Weg vor sich und beschlossen, bis zum Einbruch der Dunkelheit weiterzuklettern. Als schließlich die Nacht hereinbrach, machten sie es sich in einer der zahlreichen Höhlen des Berges bequem und verzehrten eine karge Mahlzeit, die sie aus ihrer Verpflegung zusammenstellten. Schließlich legten sie sich zum Schlafen nieder, abwechselnd hielt einer von ihnen Wache, um vor unliebsamen Überraschungen durch die Oluster oder andere Feinde sicher zu sein. Eine Wache folgte der nächsten und bald war die Nacht vorüber.

Der Morgen brach an, das Licht der Sonne, zu der dieser Planet gehörte, erhellte das Land mit seinem merkwürdig rotem Licht. Frank, der die letzte Wache übernommen hatte, weckte die anderen und gemeinsam frühstückten sie, bevor sie ihren Weg weiter aufnahmen. Sie hatten am Vortag beinahe den gesamten Berg erklommen und nun waren sie innerhalb von zwei Stunden auf dem Gipfel angekommen. Criss blickte voraus und konnte in etwa drei Fußstunden Entfernung die Gebäude der Labors sehen, die sie suchten. Dann begannen sie den Abstieg. Auf dieser Seite fiel das Gebirge flach ab, bis es in ein schier endloses Tal auslief, das über und über mit den seltsamsten Gewächsen bestanden war. Inmitten dieser wilden Pflanzenlandschaft waren mehrere Straßen gebaut worden, die zu den wissenschaftlichen Gebäuden führten. Als Criss und seine Crew die Ebene erreichten, gingen sie eine dieser Straßen entlang. Aber schon von weitem war zu sehen, daß die Oluster das Forschungsgelände streng bewachten. Hier und da konnte man einen von ihnen schemenhaft erkennen, wie er auf seinem Rundgang war. Als sie näher kamen erkannten sie, daß die Labors nicht mehr als zerstörte Ruinen waren, deren Innengebäude größtenteils niedergebrannt und verwüstet waren. Aber zwei der Gebäude waren noch völlig in Ordnung. Dort waren auch die Wachen. Die Ruinen waren unbewacht.

Vorsichtig bewegten sie sich gebückt durch das vier Fuß hohe Gestrüpp auf die alten Gebäude zu. Sie überquerten die Straße, die zwischen dem Gemäuer und den Sträuchern verlief. Dann kauerten sie sich in den Trümmern des alten Labors nieder. Regelmäßig hörten sie draußen Befehle, die ihre Feinde sich gegenseitig zuriefen, aber verstehen konnten sie nichts. Schließlich winkte Criss sie weiter durch einen schmalen Gang, der beinahe vollständig erhalten war. Er führte in ein weniger zerstörtes Labor, dessen Einrichtung allerdings größtenteils unbrauchbar gemacht worden war. Der Boden war mit Glassplittern, zerbrochenen Reagenzgläsern und diversen Papieren bedeckt. Vorsichtig untersuchten sie den Raum nach Spuren der Carat-Pläne. Aber so vorsichtig sie auch waren, sie konnten nicht verhindern, daß bei jedem Schritt die Scherben auf dem Boden unter ihren Schuhen knirschten. Eine Dezime lang suchten sie ohne Erfolg. Plötzlich hörten sie Schritte aus dem Gang. Leise sammelten sie sich zu beiden Seiten des Ganges und zogen ihre Waffen. Wenige Sekunden später betrat ein Oluster-Wächter den Raum. Criss hob seinen Laser und schlug dem Oluster den Griff seiner Waffe auf den Hinterkopf.

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Seit Zak sie verlassen hatte, dachte Jody über ihre Situation nach. Sie befand sich an Bord eines fremden Raumgleiters und wußte nicht, wohin sie unterwegs waren, geschweige denn, wann sie nach Parax zurückkehren würden. Ihre einzige Informationsquelle war der Junge, der sie vorhin entdeckt hatte. Er war sehr nett gewesen, aber langsam begann sie sich zu fragen, ob ihre Lage nicht vielleicht auch für ihn Gefahren mit sich brachte. Sie mochte ihn wirklich gern und sie wollte nicht, daß er ihretwegen in Schwierigkeiten kam. Vielleicht sollte sie ihn erst einmal nach dem Ziel des Schiffes fragen, bevor sie sich entschied.

Zak ließ sich Zeit. Es dauerte mehrere Stunden, bis er wieder zu ihr ins Lager kam. In einer Hand trug er einen kleinen Beutel, den er neben sich abstellte, als er sich zu ihr setzte.

»Ich habe Ihnen eine Flasche Mineralwasser mitgebracht. Außerdem noch ein wenig Obst, zur Abwechslung.« Während er sprach, packte er den Inhalt des Beutels aus. Als er fertig war, lagen auf dem Boden zwei Orangen und ein Apfel. Dann holte er noch zwei Becher und goß sich und ihr Mineralwasser ein. Eine Zeitlang saßen sie nebeneinander an die Wand gelehnt und schwiegen. Dann wandte Jody sich zu ihm um.

»Es gibt da etwas, das ich unbedingt wissen muß«, begann sie. Zak setzte seinen Becher ab und blickte sie an. »Es geht darum: Wohin fliegen wir und wann werden wir zurück nach Hause kommen?«

»Wir haben einen Auftrag. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wie lange wir noch unterwegs sein werden. Ich kann nur so viel mit Sicherheit sagen: Wir befinden uns jetzt vor Fauran, einem Planeten, der etwa dreizehn Lichtjahre von Parax entfernt ist.«

»Dreizehn Lichtjahre?« Jody packte Zaks Schulter. »Aber das ist ja eine Ewigkeit weit weg! Wie soll ich denn jemals-«

Zak brachte sie zum Schweigen. »Schreien Sie nicht so«, sagte er betont leise. »Wir müssen hier warten, bis der Captain von seiner Mission zurückkommt. Er ist mit den Wissenschaftlern auf dem Planeten und sucht Pläne eines Gleiters. Wenn er wieder auf der Silver Wing ist, wird er uns sagen, wo wir als nächstes hinfliegen.«

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Der Captain indessen steckte mit seiner Mannschaft in Schwierigkeiten. Dadurch, daß der Oluster nicht wieder aus der Ruine herauskam, hatten die restlichen Wächter vermutet, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Mrs. Sullivan bemerkte, als sie wieder in die Ruine hinausging, daß mehrere Kämpfer im Laufschritt auf das Labor zuhielten. Nach kurzer Beratung war klar, daß sie einen offenen Kampf nicht wagen konnten. Es waren zu viele. Criss, Brooks und Mrs. Surcombe suchten nach weiteren Ausgängen aus dem Labor, während die restlichen Mitglieder der Mannschaft ihre Waffen bereitmachten, um den Gang zu verteidigen. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Schüsse durch den Raum fegten und die Geräte im Labor noch weiter zerstörten. O'Rileigh feuerte zurück und tötete mit einer gezielten Schußserie mehrere Angreifer. Doch gleich darauf mußte er sich wieder zurückziehen, da mehrere Schüsse seinen Kopf nur um Haaresbreite verfehlten und neben ihm im Mauerwerk einschlugen.

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Jody lehnte an der Wand und hielt die Augen geschlossen. Zak wurde es langsam unbehaglich. Das war eine riskante Angelegenheit, durch die er herbe Schwierigkeiten bekommen konnte. Aber dennoch, er wollte auch nicht, daß sie in eine mißliche Lage kam. Sie war schließlich wirklich nett. Außerdem war sie sehr hübsch.

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»Beeilt euch, verdammt! Lange können wir sie nicht mehr zurückhalten!« O'Rileigh duckte sich, als ein weiterer Oluster einen Strahl auf ihn abfeuerte. Laura gab einen Schuß ab und streckte den Wächter nieder. Aber sofort mußte sie sich wieder hinter die Wand zurückziehen, da zwei weitere Wächter eine Schußserie begannen. Plötzlich hörten sie einen Schrei und sahen Captain Criss, wie er mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden stürzte. »Captain!« schrie Sam und gab die Verteidigung auf. Dr. Smith nahm seinen Platz ein. Augenblicke später waren Sam und Rita bei Criss. Seine Kapitänsuniform war an der rechten Schulter durchlöchert und dort sickerte Blut durch den Stoff. Seine Hände hatten bei seinem Sturz ebenfalls blutige Risse abbekommen. Ohne auf sein schmerzliches Stöhnen zu achten, drehten sie ihn auf den Rücken und rissen seine Uniform an der verletzten Stelle auf. Die Wunde sah schrecklich aus. Verkohltes Gewebe ragte aus einer Mischung aus Blut und Fleisch heraus. Rita riß den Ärmel der Uniform auseinander und verband damit provisorisch die Verletzung. Criss schrie vor Schmerzen laut auf. Dann entdeckte Sam an der Stelle, wo der Captain gestürzt war, daß sich dort eine Ritze im Boden befand, die unter der Staubschicht nicht zu sehen gewesen war. Während Rita die Wunde des Captains versorgte und den Arm in eine Schlinge legte, räumte Sam das Gerümpel beiseite und legte den Ritz vollends frei. Er sah aus wie eine Falltür.

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»In Ordnung«, sagte Zak. »Ich bringe Sie hier raus.« Überrascht blickte Jody ihn an. »Es ist zwar eine große Dummheit, aber ich werde es trotzdem tun.«

»Ich möchte nicht, daß Sie sich meinetwegen in Schwierigkeiten bringen«, widersprach sie. »Das ist die ganze Sache nicht wert.«

»Oh doch, das ist sie«, sagte Zak und dachte dabei, daß er wohl der einzige war, der die Dinge so sah. »Ich weiß auch bereits, was wir tun müssen.«

Jody packte seinen Arm mit ihren Händen. »Sie wissen wie? Können wir so schnell wie möglich von hier fort?«

»Ich habe einen Plan, und wenn der funktioniert, bringe ich Sie sicher von hier fort.« Und wenn er nicht funktioniert, sind wir entweder tot oder sitzen im Knast, dachte er.

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An der Bodenluke war nichts zu machen. Sam und Victor versuchten gemeinsam, die Luke aufzubrechen, aber ohne Erfolg. Währenddessen fegten weitere Schüsse aus dem Gang durch das Labor und es war nun dringender denn je, endlich diesen (wie sie hofften) Ausgang öffnen zu können. Victor entdeckte schließlich ein Zahlenfeld an der hinteren Wand und er vermutete, daß es das Codeschloß für die Luke sein mußte. Er ließ O'Rileigh an der Luke zurück und hastete zu den Tasten. Oben auf dem Schloß waren acht Lämpchen angebracht, die alle gemeinsam aufleuchteten, wenn er eine Taste drückte. Mit ausprobieren war da wohl nichts zu machen. Also nahm er mit dem gesunden Arm seine Pistole und zielte auf die Tastatur. Er drückte ab und Augenblicke später hatte sich das Gerät an der Wand in ein heilloses Gewirr von Drähten und Bauteilen verwandelt. Victor pflückte die Drähte auseinander und betrachtete die Bauteile genauer. Dann verband er mehrere Drähte miteinander. Plötzlich gab es einen Funken und der Strom jagte durch Victors Körper, so daß er zu Boden fiel. Benommen bekam er nur schwach mit, daß sich die Bodenluke langsam öffnete und einen Durchgang mit einer Leiter freigab. Als er wieder klar denken konnte, war Mrs. Core-Parks bereits mit dem Captain auf dem Weg nach unten. Er blickte ihnen nach und entdeckte dann den Schließmechanismus unterhalb der Luke. Sie würden also verschwinden können. Er gab mit seiner Waffe noch ein paar Schüsse auf das Schloß ab, damit es vollkommen unbrauchbar war und wandte sich dann wieder um. »Mr. Watts, können Sie zu mir kommen?«

O'Rileigh stellte sich zu den Verteidigern, damit der Chemiker frei war. »Was gibt es, Victor?«

»Ich habe eine Idee, wie wir die Kerle aufhalten können, bis wir alle unten sind. Aber ich weiß nicht, ob hier das nötige Material dafür vorhanden ist.« In kurzen Zügen erläuterte Victor seinen Plan. Frank machte sich sofort an die Arbeit und begann, im Labor nach brauchbaren Chemikalien zu suchen. In der Zwischenzeit drangen mehr und mehr Wächter in den Gang ein und es war klar, daß es nur noch eine Frage der Zeit war, wann die Verteidigung fallen würde.

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»Hören Sie«, begann Zak. »Sie müssen jetzt vollkommen leise sein. Wir gehen jetzt raus.«

»Aber dort wird uns ganz bestimmt jemand entdecken«, sagte Jody furchtsam.

»Unwahrscheinlich«, meinte Zak. »Der Captain und ein großer Teil der übrigen Crew sind unten auf dem Planeten und der Rest ist auf der Brücke. Wir können es wagen, schätze ich.« Unsicher folgte das Mädchen ihm. Zak öffnete den Durchgang und blickte in den Korridor hinaus. Niemand war zu sehen. Er winkte ihr, daß sie ihm folgen solle, und eiligst begann er den Gang hinunterzulaufen. Regelmäßig drehte er sich um um sicherzustellen, daß sie ihm noch folgte. Sie hielten sich nahe an den Wänden und spähten um jede Ecke, bevor sie weitergingen. Nach weniger als einer Dezime waren sie schließlich bei den HoverLifts angekommen. Zak drückte auf den Knopf und erstaunlicherweise war der Lift bereits oben. »Das trifft sich gut«, murmelte er und stieg ein. Sie fuhren hinunter und stiegen im Bereich der Labors aus. Zak führte sie jetzt sicherer durch die Gänge, da die Forscher alle auf der Mission zum Planeten unterwegs waren und eine Begegnung hier sehr unwahrscheinlich war. Sie ließen die Labors hinter sich und kamen zu einem großen Tor, durch das fünf oder sechs erwachsene Männer nebeneinander hätten durchgehen können.

»Wo sind wir hier?« fragte Jody leise.

»Überraschung«, sagte Zak schelmisch und drückte auf den Toröffner. Langsam hob sich das Rolltor und Jody erkannte fassungslos, was für ein Raum sich dahinter befand.

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»Ich denke, wir haben Glück, Vic«, sagte Frank und schwenkte eine Glasflasche. »Dieses Zeug hier dürfte unseren Anforderungen voll und ganz gerecht werden.«

»Sehr gut«, sagte Victor und nahm die Flasche. »O'Rileigh! Ich werfe diese Flüssigkeit jetzt in den Gang. Wenn das Glas zersplittert, schießen Sie darauf. Das wird die Kerle eine Zeitlang aufhalten.«

»In Ordnung, Victor. Ich hoffe das funktioniert auch, sonst stecken wir nämlich bis zum Hals in der Scheiße!«

»Natürlich klappt das«, sagte der Chemiker entschieden.

Sam feuerte wild in den Gang hinein, um Victor eine Gelegenheit zu geben, die Flasche hineinzuwerfen. Wie erwartet zogen sich die Wächter hinter eine Wand zurück und warteten auf das Ende der Schußserie. »Jetzt!« rief Sam und Victor warf die Chemikalie mitten in den Gang. Der Rest der Crew zog sich schnell zurück und Sam feuerte auf die Lache, die sich um die Scherben gebildet hatte. Im nächsten Augenblick gab es einen hellen Blitz und Sam zog sich zurück, um dem Flammenstrahl auszuweichen, der aus dem Gang herausschoß. Großer Jubel machte sich breit, aber nur für kurze Zeit, dann verschwanden sie einer nach dem anderen durch die Bodenluke und Victor verschloß sie von innen. Im Schacht war es dunkel und sie mußten vorsichtig die Leiter hinunterklettern.

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»Aber das können Sie doch nicht machen«, sagte Jody bestürzt. »Das wird doch sicher einen Haufen Ärger geben.«

»Es ist aber die einzige Möglichkeit, Sie nach Hause zu bringen. Kommen Sie.« Unglücklich folgte sie ihm mit einem Kopfschütteln in den Hangar. Sie betraten den Raum auf einer Plattform, von der aus eine Treppe abwärts zu den Einstellbuchten für die Gleiter führte. Die meisten Buchten waren leer, dort waren die fahrstuhlartigen Plattformen zu erkennen, die den Gleiter in den Startkanal unter dem Hangar absenkten. In einer Bucht stand ein kleiner Kampfgleiter. Zak führte Jody zum Hangar hinunter. Dem Mädchen war es bei dieser Aktion überhaupt nicht wohl zumute, aber was konnte sie nun machen? Sie wollte ihn auch nicht enttäuschen; er versuchte wirklich, ihr mit allen Mitteln zu helfen. »Können Sie überhaupt fliegen?« fragte sie, während Zak sie zu dem letzten Gleiter zerrte.

»Ich habe eine Ausbildung im Kundschafterflug. Und diese kleinen Kampfmaschinen sind auch nicht viel anders. Ich kriege das schon hin.« Eilig zog er sie weiter bis hin zu der Bucht, wo der kleine Gleiter stand. Vor dem Flieger blieb er eine kurze Zeit stehen und blickte ihn an. Jody ließ er dabei los. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich den Gleiter von allen Seiten anzusehen. Währenddessen öffnete Zak den Einstieg und kletterte in das Cockpit. Beinahe ehrfürchtig setzte er sich in den Pilotensessel und strich mit einer Hand über die Instrumente des Fliegers. Captain Cooke. Dann schüttelte er den Gedanken ab und drückte auf den Knopf, der die andere Seite des Cockpits öffnete. »Kommen Sie, steigen Sie ein!« rief er dem Mädchen zu.

Jody überlegte. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie das richtige taten. Es war eine Sache, versehentlich in ein fremdes Raumschiff zu geraten, eine andere Sache war es, absichtlich einen Kampfflieger zu stehlen. Andererseits, wie sollte sie sonst nach Hause kommen?

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Der Gang war dunkel und niedrig, wo die Leiter endete. Rita half dem Captain, die Leiter hinunterzusteigen und schaltete dann ihre Taschenlampe ein. Der Gang führte in einer Art Röhre weiter. Rita machte den anderen Platz und kroch mit Criss zusammen den Gang entlang. Hinter sich bemerkte sie, wie weitere Taschenlampen aufflackerten und der Rest der Crew ihr folgte. Mühsam und voller Schmerzen zog sich der Captain weiter. Das Brennen in seiner rechten Schulter war beinahe unerträglich. Der Gang schleppte sich langsam an ihm vorbei. Irgendwann, er wußte nicht, wieviel Zeit inzwischen verstrichen war, bemerkte er, daß sich die Röhre in einen Raum weitete, in dem er endlich wieder aufrecht stehen konnte. Rita leuchtete mit ihrer Taschenlampe umher, konnte aber nicht viel erkennen. Der Strahl der Lampe erfaßte mal hier, mal da ein Stück einer technischen Einrichtung, aber die gegenüberliegenden Wände waren sehr weit weg, so daß sie auch dort nicht viel erkennen konnte. Sie leuchtete zur Decke und stellte erschreckt fest, daß dieser Raum mindestens einhundert Fuß hoch sein mußte. Schließlich kamen die anderen Taschenlampen aus der Röhre heraus und begannen, den Raum auszuleuchten. »Mein Gott!« sagte Rita. »Dieser Raum muß wirklich riesig sein.«

»Das werden wir gleich sehen«, sagte Sam, der die Wand neben der Röhre beleuchtete. »Ich habe hier einen Lichtschalter gefunden.« Dann wurde es hell.

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Die Glaskuppel des Cockpits senkte sich mit einem mechanischen Sirren und rastete dann ein. Zak und Jody zogen die Gurte fest und dann startete Zak die Triebwerke, um sie für den Start vorzuwärmen. »Sehen Sie bitte in dem Koffer dort unten nach«, sagte er und deutete auf den kleinen Stauraum im Cockpit. »Da muß eine Checkliste drin sein. Wenn Sie sie haben, lesen Sie mir bitte die Anweisungen vor.« Jody holte den Koffer heraus und öffnete den Deckel. Darin waren mehrere dünne Ordner mit Pappdeckeln. Sie besah sich die Aufschriften und nahm schließlich den Ordner mit dem Titel Startanweisung Viper AT heraus und schlug ihn auf. Darin waren, unter einzelnen Punkten aufgeführt, Startinstruktionen aufgelistet. Sie begann, sie vorzulesen.

»Treibstoff?«

»Check.«

»Steuerung?«

»Check.«

Nach und nach gingen sie die Punkte auf der Liste durch, bis sie schließlich am Ende der Aufstellung angelangt waren. »Startplattform?«

Zak schaltete an ein paar Knöpfen herum und der Raumgleiter senkte sich hinab. »Check«, sagte er.

- * -

Durch die plötzliche Helligkeit der Deckenhalogenstrahler konnten sie zuerst nicht erkennen, was das Gebilde vor ihnen war. Aber nachdem sie sich an das Licht gewöhnt hatten, wollten sie ihren Augen dennoch nicht trauen. Vor ihnen stand ein riesiges Monstrum aus Stahl und Glas, als hätte es hier auf sie gewartet. »Du meine Güte!« brachte Captain Criss heraus, als er es erkannte. »Unfaßbar! Das ist die Carat

Überrascht und ehrfürchtig blickten sie das große Schiff an. Niemand sprach. Fassungslos starrten sie zu dem Koloß hinauf und hatten zum ersten Mal das Gefühl, die Anstrengungen nicht umsonst unternommen zu haben.

Dieser Augenblick währte beinahe eine Dezime, bis sich die Spannung löste. Criss ging langsam in die Mitte des riesigen Saales, wo die Carat, angeschlossen an die verschiedensten Geräte, stand. Alle Apparaturen waren abgeschaltet, aber der Captain zweifelte nicht daran, daß sie noch funktionstüchtig waren. Zwar war Dr. Calvin seit über fünfzig Jahreszyklen tot, aber diese Geräte waren HighTech und außerdem waren hier keine Staub- oder Schmutzteilchen, die Fehler verursachen konnten. Der Raum war voller Geräte und Kabel, am Seitenteil des Kreuzers waren mehrere Gasflaschen angeschlossen, die aber wahrscheinlich bereits leer waren. Am anderen Ende des Raumes befand sich ein enormes Rolltor. Dr. Calvin hatte seinerseits gesagt, daß dieses Raumschiff niemals gebaut werden dürfte, und daß er alle Pläne versteckt hatte. Aber er hatte sie dennoch gebaut, versteckt und für sich allein, möglicherweise, um irgendwann einer Bedrohung wie der jetzigen widerstehen zu können.

Mittlerweile war er an der Carat angekommen. Es war unvorstellbar, daß ein Raumschiff, so groß wie die Silver Wing, ein perfektes Kampfschiff sein sollte. Große Gleiter waren meist weniger wendig und schnell als die Kleinen. Außerdem boten sie mehr Angriffsfläche. Aber dennoch wollte sie Dr. Calvin nicht bauen lassen und Criss vermutete, daß der Doktor wußte, warum. Langsam, beinahe furchtsam, stieg der Captain die Rampe zur Einstiegsluke hinauf.

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Mit einem lauten Knall zündeten die Triebwerke des Kampfgleiters. Jody wurde in ihren Sitz gepreßt und schnappte nach Luft. Mit rasender Geschwindigkeit jagte der kleine Gleiter durch den Startkanal und dahinter hinaus in die Schwärze. So etwas wie eine Mischung aus Angst und Freude durchflutete sie, als sie vor sich die unendlichen Weiten des Universums mit seinen Milliarden und Abermilliarden von Sternen sah. Kleine Lichtpunkte überall um sie herum, das große Raumschiff hinter ihnen und ein Planet, der weit weg aber dennoch zum Greifen nahe aussah. Ihr wurde schwindelig, da sie die Schwerelosigkeit nicht gewohnt war und sie ließ sich in ihren Sitz zurücksinken. Zak hörte ihr leises Stöhnen und bremste den Gleiter ab.

»Haben Sie Schwierigkeiten, Miss Walker? Ist es die Schwerelosigkeit?« Jody nickte. »Das haben wir gleich.« Er betätigte einen Knopf unterhalb der Bedienkonsole und ein kleines Fach klappte auf. Darin waren zwei metallene Reifen, die mit mehreren Leuchten versehen waren. »Hier«, sagte er und klappte einen der Reifen auseinander. »Das hier sind Gleichgewichtsstabilisatoren. Sie bauen ein Feld auf so daß man denkt, den Kopf immer oben zu haben.« Er legte ihr das metallene Gerät um den Hals und schloß es wieder. Die Lampen begannen am Reif entlang zu blinken, so daß es aussah, als würde ihr schlanker Hals von Glühwürmchen umkreist. Augenblicklich drehte es sich in ihrem Kopf und dann stabilisierte sich ihr Blick vor den Augen. Das Schwindelgefühl verschwand. Erleichtert atmete sie auf.

»Was werden wir jetzt tun?« fragte sie. »Fliegen wir jetzt nach Parax?«

Zak schüttelte den Kopf. »Nein, das wäre zu weit. Dieser kleine Flieger ist nicht dafür ausgerüstet. Wir müssen runter auf den Planeten und dort versuchen ein Schiff zu finden, das uns nach Parax bringt.« Die feindlichen Kämpfer, auf die sie wahrscheinlich stoßen würden, erwähnte er nicht. Er wollte sie nicht beunruhigen. Er genügte, wenn einer über alles Bescheid wußte.

- * -

Das Innere der Carat war hell erleuchtet. Die weißen Kunststoff- und Keramikwände glänzten, als wären sie poliert und die metallenen Griffe und Instrumente schimmerten ebenfalls in dem merkwürdigen aber durchaus angenehmen Licht. Die Quelle des Lichtes konnte Criss nicht ausmachen, es schien überall zu sein. Gordon folgte dem Gang bis zu einer Tür, die sich mit einem leisen Summen vor ihm öffnete und den Zugang zum Kommandoraum freigab. Er betrat den Raum und die Tür schloß sich hinter ihm. Hier waren die unterschiedlichsten Geräte und Bildschirme, viele davon unbekannter Verwendung. In der Mitte der Wand gegenüber befand sich ein dreißig mal fünfzehn Fuß großer Planschirm, durch den man den Weltraum beobachten konnte. Vor dem Kapitänssessel stand ein kleiner Tisch, auf dem verschiedenste Papiere durcheinanderlagen. Captain Criss ging zu dem Tisch und sah sich die Schriftstücke an. Die meisten waren die Pläne für das Cockpit des Gleiters, aber es waren auch Materiallisten und Zeitaufstellungen über die Arbeiten am Schiff darunter. Während er die Blätter durchsah, stieß er auf ein kleines Buch, das unter den Blättern verborgen war. Criss hob es auf und besah sich den Einband. Es war mit Dr. Richard Calvin, Aufzeichnungen über das Carat-Projekt betitelt. Hastig begann Criss, das Buch aufzuschlagen und die ersten Seiten zu lesen. Dann hörte er das Summen der Tür hinter sich und er drehte sich um. Victor kam gefolgt von Sam und Rita in den Raum herein. Auch sie trugen den gleichen Ausdruck des Erstaunens in ihren Gesichtern, wie er.

»Was haben wir hier gefunden?« fragte Sam und blickte umher.

»Einen Schatz«, sagte Criss. »Den größten Schatz des Universums.«

- * -

»Was ist das dort hinten?« fragte Jody und zeigte auf mehrere Lichtpunkte in der Nähe des Planeten.

»Kampfschiffe«, sagte Zak. »Ein paar von unseren und welche der Oluster. Unsere Piloten vollführen einen Scheinangriff, damit die Mücke sicher auf dem Planeten ankommt.«

»Die Mücke?«

»Ein kleiner Raumgleiter. Der Captain und ein paar der restlichen Besatzung sind mit ihm auf den Planeten geflogen, wegen der Mission.«

»Es wird auf dem Planeten nicht sehr friedlich sein, oder?« Jody hatte ihren Blick gesenkt.

»Miss Walker, ich-«

»Nennen Sie mich Jody, bitte.«

»Okay, ich heiße Zak.«

»Zak?«

»Ja, das kommt von Zacharias. Mein Vater hieß Zacharias.«

»Hieß?«

»Er wurde abgeschossen, während eines Kampfes gegen die Oluster. Ist etwa sechs Jahreszyklen her.«

»Das tut mir sehr leid, ich wollte nicht-«

»Kein Problem« sagte er und blickte sie an. »Ich bin schon darüber hinweg.« Jody nickte.

»Zak?«

»Ja?«

»Glaubst du wirklich, daß wir nach Hause kommen?«

»Solange wir zusammenhalten, wird uns schon nichts zustoßen. Wir schaffen das schon.« Zak änderte den Kurs und flog einen weiten Bogen um das Schlachtfeld herum. Die Bewegung des Fliegers war hier in den Weiten des Alls kaum zu bemerken. Nur die Positionen der Kämpfenden und des Oluster-Mutterschiffes zeigten, daß sie sich wirklich von der Stelle rührten. Auch der Planet wurde, beinahe unmerklich, immer größer. Plötzlich wurde Jody von einer Welle der Traurigkeit überrollt. Ihr ganzes Leben war völlig durcheinander. Sie war dreizehn Lichtjahre von ihrer Heimat entfernt in einem kleinen Raumgleiter, umgeben von unzähligen Feinden und im Begriff, auf einem völlig fremden Planeten zu landen, nur um dort wahrscheinlich getötet zu werden. Sie brach in Tränen aus.

Zak legte ihr einen Arm um ihre Schultern. »Wir werden es schon schaffen, du und ich.«

Jody blickte zu ihm auf. Sie wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und versuchte etwas zu sagen, konnte aber ein Schluchzen nicht zurückhalten. »Zak, i-ich habe Angst.«

- * -

»Die ersten Tests verliefen planmäßig, die Triebwerke arbeiten einwandfrei. Ich werde bald den ersten Probeflug wagen können. Die Feuerkraft der Laser ist exakt so groß, wie in meinen Berechnungen. Die Entwicklung der Steuerplatinen ist beinahe abgeschlossen. Alles ist bereit zum großen Finale.«

»Lesen Sie weiter«, bat Sam, der mit leuchtenden Augen zugehört hatte. Schließlich wäre er derjenige, der das Raumschiff fliegen würde.

»Weiter steht hier nichts. Das war die letzte Eintragung, vom 62. Tag des dritten Quartals 2139. Am 64. Tag ist er tot in seinem Labor gefunden worden. Er konnte die Carat nicht fertigstellen. Alles was fehlt, sind die Steuerplatinen.«

6. Kapitel: Zwei Reisen, zwei Gefahren

»Das heißt also, wir können nicht starten?« fragte Rita. »Dann war doch alles umsonst?«

»Es wäre vielleicht möglich, die alten Steuerungsplatinen aus unserem Gleiter umzubauen«, schlug Victor vor. »Das heißt, wenn sie nicht in den Trümmern verbrannt sind.«

»Wissen Sie denn, ob die Steuerungen identisch sind?« fragte Patrick.

»Ich denke, zwischen den Unterlagen befindet sich mit Sicherheit auch ein Schaltplan der Platinen.« Er begann, die Papiere auf dem Tisch zu durchwühlen. »Wenn wir den Stromlaufplan der Steuerung haben, könnte ich es vielleicht hinbekommen.«

Gemeinsam durchsuchten sie den Blätterhaufen. Criss studierte in der Zeit das Tagebuch, um vielleicht noch ein paar nützliche Informationen zu finden, die er beim ersten Mal überlesen hatte. Ein entzückter Aufschrei von Beatrice lenkte ihn ab.

»Hauptsteuerungsplatinen«, las sie. »Ich glaube, das ist es, oder?« Sie reichte Victor die zusammengehefteten Papiere, die sie gerade gefunden hatte.

»Genau das ist es«, sagte er und begann sofort, die Schaltbilder zu analysieren. »Wie ich es mir dachte: Die Steuerung unterscheidet sich nur wenig von den Standardsteuerungen, die wir in unseren Gleitern haben. Dr. Calvin hat diese Schaltung aus der Standardsteuerung entwickelt und an die Carat angepaßt. Ich denke, wir können das Baby starten. Wir sollten uns die Steuerung so schnell wie möglich holen.«

Die Crew verließ das Schiff, ein wenig wehmütig blickte Sam zurück. Ohne auf die riesige Anzahl von Geräten zu achten, führte Criss sie zu dem großen Rolltor auf der gegenüberliegenden Seite des Hangars. Im Schlüsselkasten, der an der Wand hing, befanden sich mehrere Schlüssel, von denen einer in das Blockschloß des Tores paßte. Criss ließ das Tor weit genug hinauf bis sie hindurchgehen konnten und zog dann den Schlüssel ab. Auf der anderen Seite war ebenfalls ein Schloß und der Captain ließ das Tor wieder hinunter. Sie befanden sich nun an einem tiefen Einschnitt im Gelände. Unter ihnen floß ein Wasserlauf und in einiger Entfernung war das Gebirge zu erkennen, wo sie gelandet waren. Sofort machten sie sich an den Abstieg, der ihnen durch roh in den Felsen gehauene Stufen erleichtert wurde.

- * -

Nachdem die Kämpfer und das Mutterschiff hinter dem Planeten verschwunden waren, begann Zak den Kampfgleiter auf den Planeten hinunterzusenken. Der Flieger verringerte merklich seine Geschwindigkeit, als sie in die Atmosphäre des Planeten eintauchten. Bereits von hier aus konnten die beiden erkennen, daß die Oberfläche des Planeten von ausgedehnten Waldgebieten bedeckt war, die keine Landung zuließen. Also überflogen sie die Wälder, bis sie möglicherweise auf einen geeigneten Landeplatz stießen. Nachdem sie eine ganze Weile geflogen waren, zeichnete sich am Horizont die dunkle Linie eines Gebirges ab. Da es keinen anderen Bezugspunkt gab, steuerte Zak darauf zu. Trotz des hohen Luftwiderstandes flog der Gleiter sehr schnell und so dauerte es nicht lange, bis sie die ersten Ausläufer des Gebirges überquerten. Zak steuerte den Gleiter zwischen den beiden höchsten Gipfeln hindurch und sie erblickten auf der anderen Seite ein weites Tal, das sich vorzüglich als Landestelle eignen würde. Also ging Zak weiter hinunter und drosselte die Geschwindigkeit. Langsam neigte er die Spitze des Fliegers nach unten und verlangsamte ihn weiterhin. Jody schloß die Augen. Hoffentlich klappte alles. Zak zog die Nase des Gleiters wieder nach oben und fuhr das Rollwerk aus. Wenige Augenblicke später fühlte er, wie sie aufsetzten. Sofort ließ Zak den Flieger auf alle drei Räder und zog die Bremse. Spürbar wurden sie langsamer und kamen schließlich zum Stehen. Zak blickte zu dem Sitz neben seinem. Jody hielt noch immer ihre Augen geschlossen und als er sie schüchtern an der Schulter berührte, zuckte sie zusammen, öffnete die Augen und blickte ihn an. »Sind wir gelandet?«

»Sicher und wohlbehalten«, sagte Zak etwas steif und begann, auf den Knöpfen im Cockpit herumzutippen, bis ein leises Zischen zu hören war. »Wir müssen uns jetzt auf den Luftdruck des Planeten einstellen. Wird etwa eine Dezime dauern.« Sie warteten. Während dieser Zeit hatte Jody Gelegenheit, die Landschaft um sie herum zu betrachten. Viel gab es allerdings nicht zu sehen. Sie waren in einer weiten Ebene zwischen zwei langgestreckten Gebirgszügen gelandet, in der nichts anderes war als nackter brauner Fels. Der Himmel hatte hier eine merkwürdig rötliche Farbe, ganz im Gegensatz zu dem blauen Himmel ihres Heimatplaneten. Bei diesem Gedanken stieß sie einen kleinen Seufzer aus. Ob sie ihre Heimat je wiedersehen würde?

»Ich denke, das wär's«, sagte Zak und riß sie aus ihren Gedanken. »Wir können jetzt aussteigen.« Gleich darauf öffnete sich die Kabine und die warme Luft des Planeten strömte in das Cockpit. Zak stieg aus und half Jody, als sie ebenfalls den Gleiter verließ.

»Und was machen wir jetzt«, fragte sie, nachdem sie ihre müden Glieder gestreckt und einmal kräftig durchgeatmet hatte. Die Luft des Planeten roch eine Spur nach Rauch, aber das konnte auch Einbildung sein.

»Wir sollten uns auf den Weg machen, um ein anderes Schiff zu finden. Ich möchte nicht allzulange hierbleiben. Wer weiß, was uns sonst noch alles bevorsteht. Komm, wir gehen.« Entschlossen nahm er sie beim Arm und ging auf das nähere Gebirge zu, das dunkel vor ihnen aufragte.

- * -

Während sie die Stufen hinabstiegen, bemerkte Rita plötzlich ein Geräusch. Es hörte sich wie das Triebwerksbrummen eines Raumschiffes an, nur viel leiser. Sie blieb stehen um zu lauschen und Gordon warf ihr einen fragenden Blick zu, als er bemerkte, daß sie zurückblieb. »Rita, was-«

»Schscht«, machte sie und brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Dann horchte sie wieder. Das Geräusch wurde stetig lauter und bald bemerkten es auch die anderen. Rita versuchte, die Richtung festzustellen, aus der das Geräusch kam und drehte den Kopf zu beiden Seiten. Dann fiel ihr Blick auf einen kleinen Punkt am Horizont, der rasch wuchs. Sie deutete in die Richtung des Objektes und die anderen folgten ihrem Blick. Schließlich gab es keinen Zweifel, es war ein kleiner Gleiter, der über die Oberfläche des Planeten flog.

»Rasch«, befahl Criss. »Versteckt euch. Es könnten Oluster sein.« Sofort gingen sie hinter einem großen Felsen in Deckung und warteten darauf, daß der Gleiter näherkam. Es dauerte nicht lange, bis Gordon die Form des Fliegers genau erkennen konnte und er traute seinen Augen nicht. »Aber, das ist unmöglich«, stammelte er. »Sehen Sie sich das an!« Die anderen spähten hinter dem Felsen hervor und erstauntes Gemurmel wurde laut.

»Das ist einer von unseren Kampfgleitern«, sagte Sam verblüfft. »Ich dachte, die wären längst zurück auf das Schiff geflogen. Warum schicken die uns denn jemanden herunter?«

»Ich habe keine Ahnung«, sagte Criss. »Aber wir sollten der Sache auf den Grund gehen. Beeilen Sie sich. Er ist in der Ebene gelandet.« Sam wollte schon losrennen, als Gordon ihn zurückhielt. »Ich weiß zwar nicht, was das zu bedeuten hat«, sagte er zu Sam, so leise, daß es keiner der anderen hörte, »aber ich gehe jede Wette ein, daß da oben etwas schiefgelaufen ist.« Im Laufschritt brachen sie zum Gebirge auf. Gordon übernahm wieder die Führung und seine Schulter begann wieder zu schmerzen, als der verletzte Arm in seiner provisorischen Schlinge hin- und herbaumelte. Gleich hinter ihm hastete Sam O'Rileigh über den felsigen Untergrund. Der Rest der Mannschaft folgte den Führenden so gut es ging. Aber die Berge waren noch recht weit entfernt und Criss achtete darauf, seine Kräfte nicht zu früh zu erschöpfen. Außerdem konnten sie jeden Augenblick angegriffen werden, und dann mußten sie schließlich noch kampfbereit sein. Also lief er ein wenig langsamer und bedeutete seiner Crew, dasselbe zu tun.

- * -

Noch bevor Jody und Zak das Gebirge erreichten, faßte sie ihn am Arm und blieb stehen. »Zak, was ist das?«, fragte sie und deutete auf einen Haufen aus verkohltem Metall und Glassplittern, die in einiger Entfernung auf dem Boden verteilt lagen.

»Ich weiß es nicht, aber es sieht aus wie die Überreste einer Raumkapsel.« Sofort dachte er an Captain Criss und die Crew. »Aber, das ist unmöglich«, stammelte er hastig. »Sie können doch nicht...« Er sprach den Satz nicht zuende, als er auf die Trümmer zueilte. Jody folgte ihm. Als sie die Stelle erreichte, war Zak bereits damit beschäftigt, die Wrackteile zu untersuchen. Der Ausdruck in seinem Gesicht zeigte große Besorgnis und Angst. Fieberhaft begann er, Metallbleche und Plastikteile zur Seite zu räumen, um vielleicht noch weitere Gegenstände zu finden. Während er suchte, murmelte er immer wieder etwas, das Jody nicht verstehen konnte. Da sie nicht wußte, wonach er suchte, half sie ihm, die schwereren Teile aus dem Weg zu schaffen. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus.

»Zak, was ist los? Wonach suchst du?«

Ohne von den Trümmern aufzusehen, sagte er: »Das ist die Mücke mit der Captain Criss und die anderen hier hinuntergeflogen sind. Es scheint, als wäre ihnen etwas zugestoßen.«

»Sie scheinen den Absturz aber überlebt zu haben«, sagte Jody, da sie glaubte, daß Zak etwas Ermunterung brauchte. »Es sieht jedenfalls nicht so aus, als wären sie dabei umgekommen.«

»Ich glaube du hast recht«, sagte Zak und richtete sich wieder auf. Seine Hände waren dunkel vor Schmutz und er hatte sich an seiner linken Hand einen Kratzer geholt. »Ihnen wird schon nichts passiert sein. Wir sollten weitergehen«, sagte er so plötzlich und bestimmt, daß Jody ihn verwundert anblickte. »Ich denke, der Captain sollte uns hier besser nicht finden.« Jody war derselben Meinung, und so gingen sie ohne ein weiteres Wort wieder auf die Berge zu. Zak wandte sich gelegentlich noch zu der Unfallstelle um, ging aber schließlich weiter in die Richtung des Gebirges.

Der Aufstieg war beschwerlich und nicht ungefährlich. Gelegentlich traten sie auf einen Stein, der unter ihrem Gewicht nachgab und zu Tal rollte, und hier und da durchzogen tiefe Spalten den Felsen. Schweigend arbeiteten sie sich weiter hinauf. Der rote Stern, der den Planeten erhellte, versank langsam am Horizont und die Abenddämmerung setzte ein, als Zak und Jody plötzlich einen Höhleneingang entdeckten. Vorsichtig spähten sie hinein und leuchteten den Gang mit ihren Taschenlampen aus. Es war niemand zu sehen. Der Tunnel führte tief in das Gebirge hinein und die beiden folgten seinem Verlauf. Der Gang wand und schlängelte sich tiefer und tiefer in den Felsen hinein, bis sie schließlich müde wurden und sich ausruhen mußten. Sie setzten sich Seite an Seite an die merkwürdig warme Felswand und es dauerte nicht lange, bis sie schließlich einschliefen.

Jody erwachte, als sie ein Geräusch hörte. Sie richtete ihren Oberkörper auf und spähte umher. Es war dunkel, denn ihre Taschenlampen hatten sich abgeschaltet. Sie tastete um sich und fand ihre Lampe, die sich sofort automatisch einschaltete und die Höhle beleuchtete. Sie befanden sich tatsächlich in einer Art Grotte, das war ihr vorhin überhaupt nicht aufgefallen. Sie überlegte, wie spät es wohl sein mochte, wie lange sie geschlafen hatte. Zak lag neben ihr ausgestreckt und schlief immer noch. Jody fröstelte. Es war wirklich nicht sehr warm hier. Plötzlich überkam sie ein Schrecken. Als sie sich hingesetzt hatten, hatten sie sich an eine Wand gelehnt, und die war warm gewesen. Nun war dort, wo sie lagen, keine Wand mehr und die Höhle war kalt und zugig. Hastig weckte sie Zak, der im Schlaf protestierend murrte. Schließlich wachte er auf und blickte sich um.

Nachdem sie ihm erklärt hatte, was sie herausgefunden hatte, bestand er darauf, sofort weiterzugehen. Jody war mit diesem Vorschlag voll und ganz einverstanden und so gingen sie wieder los, durchquerten die riesige Grotte, in der ein starker Schwefelgeruch in der Luft lag und bogen um eine Ecke. Im nächsten Augenblick blieben sie wie angewurzelt stehen.

- * -

Criss erreichte den Gipfel des Gebirges und spähte über die Ebene, während die anderen nacheinander heraufkamen. In der Mitte des Tales, nicht weit von der Landestelle ihrer Fähre entfernt, stand der Gleiter, den sie vor einiger Zeit vorbeifliegen sahen. Aber es war niemand von seiner Besatzung zu sehen. Wortlos machte Criss sich an den Abstieg.

»Es ist niemand zu sehen«, sagte Victor Brooks, der zum Gleiter vorausgeeilt war und die Einstiegsluke geöffnet hatte.

Gordon blieb stehen, stemmte die Hände in die Hüften und blickte versonnen zu dem hellen Stern, der gerade unterging. »Wer auch immer hier zu uns hinuntergekommen ist, sie müssen den anderen Gebirgszug erklommen haben, denn sonst wären sie noch irgendwo zu sehen. Aber der Gleiter ist ein Geschenk des Himmels, wenn ich das so sagen darf. Wir brauchen uns nicht mehr auf einen Trümmerhaufen zu verlassen, von dem wahrscheinlich ohnehin kein Draht mehr zu gebrauchen ist. Wir haben jetzt einen Gleiter, in dem garantiert alles intakt ist.« Die restlichen Mitglieder der Crew sammelten sich um den Gleiter. »Ich möchte folgendes vorschlagen«, sagte Criss und blickte in die Runde. »Vier von uns machen sich auf die Suche nach der Besatzung des Gleiters, und der Rest kommt mit mir und Victor zurück zur Carat, wenn wir die Steuerungsplatine ausgebaut haben.«

In einer kurzen Besprechung wurden sie sich einig, daß Patrick Smith, Laura Surcombe, Christopher Ravel und Frank Watts die Suche übernahmen. Sie verabschiedeten sich kurz und brachen dann in die Richtung des Gebirges auf. Währenddessen begann Victor mit Hilfe von Sam O'Rileigh, den vorderen Teil des Bedienfeldes aufzuschrauben. Criss hatte sich den Gleiter von allen Seiten angesehen und irgend etwas kam ihm merkwürdig vor, allerdings konnte er nicht genau sagen, was es war, also schwieg er vorerst.

Es dauerte etwa drei Dezimen, bis Victor das benötigte Bauteil endlich in der Hand hielt, und mit einer dramatischen Geste schnitt er die verbindenden Drähte durch. »So, das wäre geschafft«, sagte er. »Jetzt können wir unser Glück bei der Carat versuchen. Ich hoffe, daß-«

»Teufel nochmal, ja. Das ist es.« Victor drehte sich zu Criss um, der sich gerade die flache Hand vor die Stirn schlug. »Jetzt weiß ich was nicht stimmt.«

»Wovon reden Sie, Captain«, fragte Brooks leicht verärgert.

»Der Gleiter. Ich habe mich schon die ganze Zeit über gefragt, was an dem Gleiter nicht in Ordnung ist. Jetzt weiß ich es. Die Waffenmagazine sind leer und es sieht so aus, als wäre aus diesen Geschützen schon seit längerer Zeit nicht mehr geschossen worden.«

»Und was hat das zu bedeuten?« fragte Rita Core-Parks, die den Zusammenhang nicht begriff.

»Daß dieser Gleiter nicht von einem unserer Kampfflieger geflogen worden ist.«

»Was wollen Sie damit sagen, Captain. Wer sollte ihn sonst geflogen haben?«

»Ich habe keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, warum. Aber ich denke, wir werden es erfahren, wenn wir die Besatzung gefunden haben.«

- * -

Jody und Zak wagten sich nicht zu rühren, während der Kopf des riesigen Geschöpfes vor ihnen hin- und herpendelte. Das Wesen beschnupperte sie und blickte sie aus seinen großen runden Augen neugierig an. Panik stieg in Jody auf und sie umklammerte Zak. Er legte ihr beruhigend einen Arm um die Taille, obwohl er ebenfalls vor Angst am liebsten fortgelaufen wäre. Das riesige Tier schnupperte noch einmal und drehte sich dann um. Schließlich stampfte es durch den Höhlenausgang nach draußen in die Wälder. Jody vergrub ihren Kopf an Zaks Brust und begann zu schluchzen. Er fuhr ihr zärtlich über das Haar und murmelte ein paar beruhigende Worte. Schließlich hatte sich Jody wieder soweit in der Gewalt, daß sie gehen konnte. Zak führte sie aus der Höhle hinaus und in den Wald hinein. Dort wanderten sie eine Zeitlang umher, ohne zu wissen wohin. Die Luft war schwül und warm, das Summen unzähliger Insekten umgab sie und bald waren sie vom vielen Laufen erschöpft. Sie setzten sich unter einen der riesigen Bäume und rasteten. Seit sie die Höhle verlassen hatten, hatten weder Zak noch Jody ein Wort gesprochen. Jetzt, da sie sich ausruhen konnten, wuchs in Jody das Verlangen, über das merkwürdige Erlebnis in der Höhle zu sprechen.

»Denkst du, daß wir hier sicher sind?«

»Ich hoffe es«, antwortete Zak. »Jedenfalls habe ich keinen dieser Riesen mehr gesehen. Er erinnerte mich irgendwie an einen Dinosaurier, findest du nicht?«

»Was er auch war, er hat mir eine Mordsangst eingejagt.« Jody fuhr sich mit einer Hand durch ihr Haar. »Ich habe niemals ein solch großes Tier gesehen.«

Sie verspeisten ein karges Mahl, das sie aus ihren Vorräten bereiteten und beschlossen, weiterzuziehen. Wohin sie gingen, wußten sie nicht, aber sie hatten immer noch die Hoffnung, auf eine Stadt oder vielleicht sogar einen Raumhafen zu treffen, von dem aus sie nach Parax zurückkehren konnten. Als der Abend anbrach, wich auch die brütende Hitze einer angenehmen Wärme, die das Gehen einfacher machte. Bis zum Einbruch der Dunkelheit wanderten sie weiter, um dann schließlich unter einem Baum haltzumachen, der merkwürdige rote Früchte trug, die sehr gut schmeckten und ihren Durst stillten. Nach ihrer Mahlzeit legten sie sich nebeneinander in das weiche Gras.

Zaks Gedanken kreisten. Einerseits war es wundervoll, mit ihr zusammen allein in dieser Umgebung zu sein. Andererseits war die Aussicht in dieser Gegend eine Stadt zu finden doch geringer als er es sich eingestehen wollte. Verhungern würden sie zwar nicht, aber wer konnte wissen, was es außer diesen scheinbar friedlichen Riesentieren noch an Geschöpfen in dem Wald gab, die vielleicht weniger friedlich waren. Er hatte weniger Angst um sich, sondern mehr um Jody. Gewiß, sie konnte sicherlich selbst auf sich aufpassen, wenn es hart auf hart kam, aber irgendwie fühlte er sich für sie verantwortlich. Er ließ seine Hand langsam in ihre Richtung wandern. Sie hatte seine Beschützerinstinkte geweckt, und er schwor sich insgeheim, daß er alles tun würde, damit ihr nichts geschah. Er drehte sich auf die Seite und beobachtete sie im schwachen Schimmer der Leuchte, die sie als Abschreckung für die Tiere eingeschaltet gelassen hatten. Seine Finger berührten sanft ihre Schulter und sie wandte den Kopf um. Irgendwie hatte sie in diesem Licht etwas geheimnisvolles an sich, das Zak zu gerne näher erkunden wollte. Seine Hand wanderte von ihrer Schulter zu der zarten Haut ihres Gesichtes und er strich ihr leicht mit einem Finger über die Wange. Dann streckte sie auch eine Hand aus und legte sie ihm um den Hals. Zak genoß diesen Augenblick, der ihm einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Dann ließ er sich ganz und gar von ihrem Zauber gefangennehmen.

- * -

Criss und seine Crew kehrten mit der Steuerungsplatine und anderen Ersatzteilen zum Hangar zurück. Criss öffnete mit dem Schlüssel das Rolltor und schaltete das Licht ein. Wie schon vorher blendeten ihn die Halogenleuchten zuerst, doch das ging schnell vorüber. Ohne Zeit zu verlieren gingen sie zum Schiff und betraten wieder die Kommandozentrale. Dort holte Victor sich sofort Dr. Calvins Tagebuch und versuchte herauszufinden, wo er die Steuerungseinheit finden und reparieren konnte. Da es bereits sehr spät war, suchte sich der Rest der Crew einen Platz in der Carat, wo sie übernachten konnten. Victor war das ganz recht, denn so konnte er sich ungestört um seine Arbeit kümmern.

Bis tief in die Nacht wälzte er die Pläne und Schaltungen der Carat, die um einiges komplizierter und verworrener waren, als die der Silver Wing. So genial Dr. Calvin auch gewesen war, diese Pläne waren immer noch eine Rohversion und es steckte noch kein genaues Schema in den Schaltungen, was das Lesen erschwerte. Immer wieder fielen ihm die Augen zu, und er mußte die Seite an der er gerade las wieder von vorne beginnen, um ihren Inhalt zu verstehen.

Draußen graute bereits der Morgen, als Victor endlich alle nötigen Informationen zusammengetragen hatte, die er zur Installation und zum Umbau der Platinen brauchte. Nun mußte er nur noch die Stelle im Schiff finden, an der sich das gesuchte Schaltfeld befand. Seine Müdigkeit war wie weggeblasen, als er begann, die Abdeckungen der einzelnen Geräte zu entfernen. Die Technik, die sich darunter verbarg, war zwar nicht die neueste, doch kannte er nicht alle Bauteile, die er vorfand. Wahrscheinlich hatte der Doktor auch einige Eigenentwicklungen verwendet.

Er brauchte lange, bis er endlich das fand, wonach er gesucht hatte. Hinter der Abdeckung des automatischen Logbuches befand sich eine weitere Klappe, die ein Gewirr von losen Drähten hinter sich verbarg. Victor jubelte innerlich, denn genau so hatte er es erwartet. Er konnte jetzt nur noch hoffen, daß die Farben der Drähte mit den Angaben auf dem Plan übereinstimmten. Jetzt aber machte er sich zuerst daran, die Steuerungsplatine des kleinen Gleiters auf die Ansprüche der Carat umzurüsten.

Verschlafen kam Captain Criss in den Kommandoraum und bemerkte sofort den Geruch nach Kolophonium, der in der Luft lag. Hinten bei der Bedienzentrale saß Victor auf dem Boden, umgeben von einem Haufen aus Kleinteilen und Drähten. Gordon schlug beide Hände über dem Kopf zusammen, als er alle Abdeckungen der Instrumente auf dem Boden liegen sah und das Gewirr der Kabel, die darunter zum Vorschein gekommen waren. »Oh, mein Gott, Victor!« entfuhr es ihm. »Was um alles in der Welt ist denn hier passiert?«

»Nichts weiter«, sagte der Elektroniker ohne sich auch nur umzudrehen. »Ich habe nur nach der richtigen Stelle gesucht, wo ich die Steuerung einbauen muß.«

»Aber dafür müssen Sie doch nicht das ganze Schiff demontieren.« Langsam erholte Criss sich wieder von seinem ersten Schrecken.

»Keine Sorge, Captain«, gab Victor zurück. »Bis heute Mittag habe ich alles fertig und wir können abheben.«

- * -

Patrick führte die Expedition den Ausläufer des Gebirges hinauf. Während sie Schritt um Schritt emporkletterten, bemerkte Laura eine Anzahl losgebrochener Steine, die auf ihrem Weg nach oben herumlagen. Sie bat die anderen anzuhalten und hob einen dieser Steine auf. »Ich glaube, wir haben ihre Spur gefunden. Diese Steine liegen noch nicht lange hier lose herum. Die Bruchstelle ist noch sehr frisch.« Sie reichte Frank den Stein, der seine Hand ausstreckte.

Der Chemiker untersuchte den Brocken von allen Seiten, ehe er ihn an Christopher weitergab. »Der Boden hier scheint sehr schwefelhaltig zu sein«, sagte er leise, »aber das ist nicht von Bedeutung, glaube ich.«

Nachdem auch Patrick den Stein betrachtet hatte, übernahm Laura die Führung. Sie folgte den Stellen, wo Steine herausgebrochen waren, überschritt Felsspalten und noch bevor die Abenddämmerung vollständig einsetzte, fand sie einen Höhleneingang. Offensichtlich war die Besatzung des Gleiters ebenfalls hierher gelangt, denn weitere Spuren gab es nicht. Sie berieten sich kurz und kamen zu dem Entschluß, daß sie ein Stück in die Höhle hineingehen und dann ihr Lager aufschlagen sollten. Die Luft in der Höhle war warm, wärmer als draußen, stellte Frank fest. Sie fanden nach kurzer Zeit eine geeignete Stelle und setzten sich auf den Felsboden. Patrick legte seine Taschenlampe auf den Boden und langsam bereiteten sie sich auf die Nacht vor.

Christopher erwachte als erster. Er fühlte sich frisch und ausgeruht. Es war dunkel um ihn herum und er tastete nach der Taschenlampe, wobei er versehentlich Laura weckte, die herzhaft gähnte. »Guten Morgen, Laura«, sagte er. »Haben Sie gut geschlafen?« In diesem Augenblick fand er die Lampe, und ihr Licht erhellte den Raum.

»Danke, ja.« Beim Aufscheinen der Lampe kniff sie die Augen ein wenig zusammen. »Der Boden hätte allerdings etwas weicher sein können.«

Durch das Gespräch der beiden und das Licht der Lampe wurden Patrick und Frank ebenfalls wach. Nach einem kurzen Frühstück und einer Lagebesprechung brachen sie ihr Lager ab und folgten dem Tunnel weiter in den Berg hinein. Der Gang wand sich hin und her, folgte aber im Großen und Ganzen einer Richtung. Frank bemerkte mehr als einmal, daß der Geruch nach Schwefel stärker wurde und plötzlich wehte eine leichte kühle Brise durch den Tunnel, die die Wärme langsam vertrieb. Es dauerte noch einige Zeit, bis sie schließlich die große Grotte erreichten, in der der Schwefelgeruch jetzt allen Mitgliedern der Suchexpedition unangenehm in die Nase stieg.

»Das stinkt ja ekelhaft«, beschwerte sich Laura und hielt sich demonstrativ die Hand vor ihre Nase. »Als hätte hier jemand hundert Streichholzschachteln auf einmal verbrannt.«

»Stimmt vollkommen«, pflichtete Christopher ihr bei. »Ich glaube, ich möchte mich hier nicht allzulange aufhalten.«

Langsam durchquerten sie die Höhle. Jeder ihrer Schritte hallte mehrfach von den steinernen Wänden wider und erzeugte eine unheimliche Atmosphäre. Daher erschien selbst der riesige Höhlenausgang bedrohlich. Er war mindestens sechzig Fuß hoch und die restliche Felswand darüber nochmals zwanzig Fuß. Mit einem unguten Gefühl durchquerten die Mitglieder der Suchexpedition den riesigen Durchgang. Nach einiger Zeit sahen sie vor sich ein schwach rötlich schimmerndes Licht. Der Gang machte eine Biegung und dann sahen sie vor sich den Ausgang der Höhle, der direkt in ein Gewirr von Pflanzen überging. Jetzt sahen sie, daß es kurz vor Morgengrauen war. Sie verließen die Höhle und standen nun in einem dichten Dschungel aus Farnkräutern, Bäumen und Kräutern, die rechts und links neben einer breiten Schneise wuchsen, die von der Höhle ausging. Es sah aus, als hätte man die Pflanzen zum Bau einer Straße abgeholzt.

»Also, natürlich ist das mit Sicherheit nicht entstanden«, meine Christopher Ravel, während er sich etwas weiter von der Höhle entfernte. »Irgend jemand oder Irgend etwas muß hier kräftig aufgeräumt haben.«

Laura gefiel die Art, wie er das Wort Irgend etwas betonte nicht sehr. Daher schlug sie vor, sofort die Suche nach den Piloten fortzusetzen. Es erklärten sich alle einverstanden und so bahnten sie sich einen Weg durch den dichten Urwald. Patrick Smith blieb einen Augenblick bei der Höhle zurück, um seinen Peiler auf diese Stelle zu eichen, für den Fall, daß sie sich in der Wildnis verirren sollten.

- * -

Der nächste Morgen brach an, als Zak erwachte. Irgend etwas hatte ihn geweckt. Aber jetzt war es weg. Müde rieb er sich die Augen und richtete sich auf. Die Luft war angenehm warm und er fühlte sich erfrischt und ausgeruht. Jody schlief noch. Ihr Haar verdeckte einen Teil ihres Gesichtes und das erinnerte ihn an die gestrige Nacht. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihm aus, als er daran zurückdachte. Er wußte nun endlich, daß er sie wirklich liebte, und wenn sie erst zurück auf Parax waren, konnten sie ihre Liebe richtig erleben.

Ermutigt stand er auf und sog die frische Morgenluft ein. Plötzlich hielt er inne. Da war es wieder. Er spürte einen dringenden Hilferuf, doch weit, weit entfernt. Der Ruf hallte in seinen Gedanken wider, gehört hatte er nichts. Es war mehr eine Art Vorahnung, oder war es Einbildung? Aber irgendwie spürte er die Verzweiflung eines Wesens, das sich in Not befand. Er beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Mit einem Blick versicherte er sich, daß Jody noch schlief und dann ging er los. Er wußte nicht, welche Richtung er einschlagen sollte, und so beschloß er, einfach dorthin zu gehen, wo die Signale in seinem Kopf stärker wurden. Zwei Dezimen später konnte er dann etwas hören. Er blieb stehen und blickte sich um, aber in diesem Urwald war nichts zu erkennen. Vorsichtig bewegte er sich auf die kratzenden Geräusche zu. Irgendwie kamen ihm die Geräusche unheimlich vor. Aber das hilfesuchende Drängen ließ nicht nach. Mit laut klopfendem Herzen schlich er sich voran. Langsam wurde der Dschungel lichter und er konnte den massigen Körper eines der gigantischen Wesen sehen, wie es an irgend etwas am Felsen des Gebirges herumkratzte. Mehr konnte Zak nicht erkennen, da der Leib des Sauriers ihm die Sicht versperrte. Vorsichtig schlich er weiter heran, um zu sehen, was die Aufmerksamkeit des Wesens erregt hatte. Dann konnte er sehen, was es war. Das Tier kratzte mit seinen riesigen Klauen, die ihn mit einem Schlag hätten zerquetschen können, an einem etwa menschenhohen Spalt im Fels herum, offensichtlich versuchte es, an etwas heranzukommen, das hinter dem Spalt war. Doch Zak wagte sich nicht näher heran. Gespannt sah er dem Giganten bei seiner Beschäftigung zu. Plötzlich ließ ihn das Knacken eines Astes herumwirbeln. Jody stand hinter ihm und bewegte sich leise auf ihn zu. Zak atmete erleichtert auf und bedeutete ihr, leise zu sein.

»Ich wurde wach, und du warst nicht da«, sagte sie, vielleicht ein wenig vorwurfsvoll. Jedoch schlug der Ton in ihrer Stimme sofort wieder um. »Aber dann hörte, oder eher spürte ich einen Hilferuf, dem ich folgte.« Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein gehauchtes Flüstern. »Dann sah ich dich. Hast du es auch gehört?« Mittlerweile hatte sie ihn erreicht. Stumm deutete Zak auf das Wesen, das sich nun ruhig verhielt und seinen großen keilförmigen Kopf immer wieder in den Spalt schob, als könnte es so etwas darin erreichen. Jody stieß einen kleinen Schrei aus und preßte sich eine Hand vor den Mund.

Eine Dezime verging bis das Tier wieder zu kratzen und zu scharren begann. »Was sucht es da?« fragte Jody, offensichtlich erleichtert, daß der Saurier ihnen keine Beachtung schenkte. Zak hob die Schultern und blickte weiterhin das Wesen an.

»Vielleicht können wir von weiter oben etwas sehen«, schlug er vor. »Wenn wir auf den Berg klettern.«

»Nein!« sagte Jody schnell. »Das ist zu gefährlich.«

»Gut. Aber irgendwie bin ich überzeugt, daß es Hilfe braucht, denn offensichtlich versucht es ja etwas aus dem Spalt herauszuholen.« Ein merkwürdiger Glanz trat in seine Augen. »Ich werde der Sache auf den Grund gehen. Du wartest am besten hier.« Damit machte er einen Schritt auf das Wesen zu, das nun wieder emsig am Felsen herumkratzte. Jody hielt ihn zurück.

»Zak, bist du wahnsinnig? Es wird dich umbringen!«

»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Zak, während er sich von ihr befreite. »Ich bin sicher, daß es weiß, daß ich ihm helfen will.« Wieder machte er einen Schritt vorwärts.

Jody blieb angstvoll hinter ihm zurück. »Sei vorsichtig, Zak«, flüsterte sie.

Schritt für Schritt näherte sich Zak dem Saurier. Bisher hatte er ihn noch nicht bemerkt. Er hoffte, daß der Riese da vor ihm wirklich wußte, daß er nichts Böses wollte. Aber jetzt konnte er sich keine Schwäche erlauben, nicht solange sie zusah. Er nahm all seinen Mut zusammen und machte einen weiteren Schritt vorwärts. Jetzt war er nicht mehr als zwanzig Fuß von dem Saurier entfernt. In diesem Augenblick hörte das Wesen auf zu kratzen und legte eine Ruhepause ein. Zak blieb wie angewurzelt stehen. Sein Herz pochte ihm bis zum Hals, als das Tier den langen Hals zu ihm umwandte. Plötzlich fand Zak sich Auge in Auge mit diesem riesenhaften Reptil wieder. Einen Augenblick lang geschah nichts.

Jody hatte mit wachsender Furcht die Szene beobachtet, die sich vor ihr abspielte, Jetzt, als das Wesen Zak anstarrte, spannte sich alles in ihr an. Plötzlich warf der Riese den Kopf hoch und ließ ein lautes Gebrüll los. »Vorsicht, Zak!« schrie sie, als sich der Koloß auf seine Hinterbeine erhob. Zak rollte gerade noch zur Seite, als der wuchtige Körper des Sauriers neben ihm auf den Felsboden schlug. Jody begann zu schreien. Der Saurier rappelte sich hoch und stampfte auf Zak zu, der mit dem Rücken zur Felswand stand. Ein dumpfes Grollen kam aus der Kehle des Tieres, als es vor ihm stehenblieb. Dann stieß es eine schweflig-gelbe Wolke aus seinen Nüstern und Zak schrie erschreckt auf. Dann begann er zu husten. Das Knurren des Sauriers verstummte plötzlich und er begann Zak von oben bis unten zu beschnuppern. Zak wagte sich nicht zu rühren, als das Tier den Kopf von ihm abwandte und wieder zu dem Riß blickte. Es blickte noch ein paar Mal zwischen Spalt und Zak hin und her und gab dem jungen Mann dann einen kurzen Stups mit der Schnauze, der genügte, um Zak auf den Bauch zu werfen. Dann öffnete es sein Maul und packte den hilflos auf dem Boden liegenden Mann am Kragen und hob ihn hoch. Wider aller Vernunft begann Jody zu lachen. Sie hatte zwar große Angst vor dem Wesen, aber jetzt kam ihr das alles sehr albern vor. Zak baumelte hilflos in der Luft, während der Saurier ihn zu dem Spalt in der Felswand trug. Offensichtlich hatte das Wesen gesehen, daß Zak klein genug war, um durch den Spalt zu passen und es wollte nun, daß Zak ihm half. Jody löste sich aus ihrer Erstarrung und ging langsam zu Zak hinüber, der aufmerksam beobachtet durch den Saurier, in den Spalt hineinblickte. Als Jody neben ihm erschien, erschrak er.

»Du solltest doch dort hinten warten«, sagte er, aber sie sah ihm an, daß er froh über ihre Nähe war.

»Ich dachte es droht uns jetzt keine Gefahr mehr«, sagte sie und schob sich an Zak vorbei zu dem Spalt. Sie war nun wirklich neugierig. »Wonach suchte das Tier denn?«

»Danach«, erwiderte Zak und deutete in den Spalt. Jody blickte hinein und dann begriff sie.

- * -

Den ganzen Tag waren sie nun schon unterwegs, seit sie die Höhle hinter sich gelassen hatten. Noch immer hatten sie die Besatzung des Gleiters nicht gefunden. Auch Spuren oder andere Zeichen von ihnen waren nicht zu sehen. Als es schließlich Abend wurde, und das rötliche Licht der anbrechenden Nacht langsam schwand, bereiteten sie sich auf eine Rast vor. Christopher und Laura bereiteten aus großen Farnwedeln ein Lager, während Frank zusammen mit Patrick einige dieser merkwürdigen Früchte von einem Baum pflückte, die sehr gut schmeckten und laut der Aussage der Botanikerin ungiftig waren. Nach diesem reichlichen Abendessen legten sie sich hin und schliefen im schummrigen Licht der Taschenlampen einer nach dem anderen ein.

Früh am nächsten Morgen brachen sie wieder auf. Die schwüle Hitze des Tages hatte noch nicht eingesetzt und so beeilten sie sich, so weit wie möglich zu kommen, bevor es spät wurde. Kurz vor Mittag legten sie eine Pause ein, während der sie die restlichen gesammelten Früchte aßen. Gerade wollten sie wieder aufbrechen, als sie ein lautes Gebrüll vernahmen, das aus einiger Entfernung zu ihnen herüberschallte. Kurz darauf war das schrille Kreischen einer jungen Frau zu hören. Die Mitglieder der Expedition tauschten überraschte Blicke und Patrick nahm seinen Scanner aus dem Rucksack. »Ganz eindeutig, etwa tausend Fuß nordwestlich befinden sich mehrere Lebewesen, ein sehr großes und drei kleinere. Ich schätze, dort werden wir auch unsere Vermißten finden.«

»Na dann los«, sagte Christopher, während er ihr folgte. »Wer weiß, was dieses große Wesen ist.« Im gleichen Augenblick mußte er an die Höhle denken und an die breite Schneise, die durch den Urwald führte. Gemeinsam bahnten sie sich ihren Weg durch den Dschungel. Patrick übernahm die Führung und folgte den Signalen seines Scanners. Sie waren noch nicht weit gegangen, als sich der Urwald ein wenig lichtete. Durch die Bäume hindurch erblickten sie die weiteren Ausläufer des Gebirges. Sie verließen den Wald und wanderten am Gebirge über den felsigen Untergrund entlang nach Norden. Es dauerte nicht lange, bis sie eine riesige Echse sahen, die, flankiert von zwei Menschen, geschäftig an einem Spalt im Felsen herumkratzte. Dann verschwand einer der Menschen in den Spalt und die zweite Person folgte ihm. Christopher Ravel blickte fassungslos in die Richtung des Wesens, während die anderen sich hinter einem vorspringenden Felsen versteckten.

»Christopher?« flüsterte Laura dem Biologen zu. »Sind Sie verrückt? Sie stehen dort in voller Sicht!«

Christopher antwortete nicht. Statt dessen machte er einen Schritt auf dem Riesen zu, der nun seinen Kopf in die Felsspalte gesteckt hatte und anscheinend etwas beobachtete. Frank verließ sein Versteck und zerrte Christopher hinter den Felsen.

»Laßt mich los«, protestierte der Biologe. »Das ist unglaublich. Ich muß es mir ansehen!«

»Aber es könnte gefährlich sein«, warnte Patrick. »Sie haben doch keine Ahnung, was es mit Ihnen machen würde.«

»Unsinn«, schnappte Ravel. »Die beiden Menschen waren auch in seiner Nähe und die sahen noch sehr lebendig aus.«

»Das ist noch lange kein Grund, sein Leben zu riskieren«, sagte Laura. »Wer weiß warum diese Menschen da sind. Die müssen ja nicht aus freien Stücken da sein.«

»Wenn das da die Leute aus unserer Crew sind«, schaltete sich Frank ein, »sollten wir versuchen sie zu befreien, wenn sie wirklich gezwungen werden, dazubleiben. Jedenfalls sollten wir aus sicherer Entfernung versuchen mit ihnen in Kontakt zu treten.«

Nach kurzer Besprechung gingen sie weiter, immer nahe an der Felswand entlang, um möglichst außer Sicht zu bleiben.

- * -

»Aber... Aber der ist ja noch ganz klein!« Jody blickte verwundert zu dem kleinen Saurier hin, der unten in der Felsspalte lag.

»Er hat sich wahrscheinlich verletzt und kann jetzt nicht mehr hochklettern«, überlegte Zak. »Zum Glück ist die Spalte nicht tief. Da komme ich leicht runter.« Er setzte sich an den Rand der Spalte und sprang hinunter.

»Warte! Ich komme mit!« Jody folgte und landete dicht neben ihm auf dem harten Felsboden. Zak rappelte sich gerade auf und ging zu dem kleinen Wesen hinüber, das ihn aus neugierigen Augen betrachtete. Tatsächlich hatte es die Größe einer deutschen Dogge, aber im Vergleich zu dem Tier oben war es doch sehr klein.

Jody folgte ihm dichtauf. Als Zak den kleinen Kerl erreichte, begann dieser ihn zu beschnuppern. Dabei stieß er die gleichen gelblichen Wolken aus, wie der Große, doch längst keine so dichten. Nachdem das Junge Zak lange genug untersucht hatte und sich Jody zuwandte, die etwas hilflos dastand und sich kaum zu rühren wagte, ging Zak um es herum und untersuchte vorsichtig den Körper des kleinen Tieres. Er konnte keine Verletzung sehen, aber vielleicht lag es auch an etwas anderem, daß der Kleine nicht mehr herauskam. Er unterbrach seine Untersuchung, als er Jodys vergnügtes Kichern hörte. Er drehte sich um und mußte grinsen. Jody lag auf dem Rücken und der kleine Saurier leckte ihr mit seiner großen roten Zunge über das Gesicht. Jody versuchte, seinen Kopf mit ihren Händen beiseite zu drücken, aber das war offensichtlich verschwendete Kraft. Das gab Zak allerdings die Gelegenheit, das Tier genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei stellte er eine recht große Schwellung am linken Hinterlauf fest, die sehr schlimm aussah. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und berührte die Stelle sacht mit einem Finger.

Der Körper des Tieres spannte sich plötzlich an und es ließ ein leises Winseln hören. Einen Augenblick später begann es, seine Wunde ausgiebig zu putzen. Das war also der Grund, warum das Junge die Felsspalte nicht verlassen konnte. Von oben war wieder das zornige Gebrüll des alten Sauriers zu hören. Dann vernahmen sie Menschenstimmen.

Einen Augenblick lang stockte Zak der Atem. Menschen? Hier? Jody blickte unsicher zu ihm hinüber und wischte sich mit einem Ärmel langsam über das Gesicht. Er ging zu ihr hinüber.

»Zak, was-«

»Schscht!«, machte er, denn die Personen hatten wieder zu reden begonnen.

»Packen Sie den Laser weg, Smith!« fuhr Christopher Patrick an. »Sind Sie wahnsinnig?«

»Das verdammte Vieh ist auf mich losgegangen!« protestierte der Physiker.

»Kein Wunder, wenn Sie es provozieren! Da würde sich jedes Tier wehren!«

»Ich glaube trotzdem, daß das Tier da eine potentielle Gefahr für uns alle darstellt.« Patrick geriet in Wut. »Es ist doch verrückt zu behaupten, ein aggressives Tier wie dieses müßte man erst provozieren, damit es einen angreift.«

»Aber das stimmt doch gar nicht! Es ist überhaupt nicht aggressiv, man darf es nur nicht bedrohen!« Jody hatte sich aus dem Loch herausgearbeitet und war zu den Menschen hinausgelaufen. Nun blickte sie die vier Personen wütend an. Ihre verblüfften Gesichter bemerkte sie kaum.

Patrick steckte seine Waffe weg. Mit einem unsicheren Blick auf das riesige Tier, das hinter dem Mädchen an der Felswand stand und immer noch bedrohlich knurrte, machte er ein paar Schritte auf sie zu. »Wer sind Sie?« fragte er. »Was tun Sie hier bei diesem... Monster?«

Jody überhörte den ersten Teil der Frage zunächst und fuhr wieder auf: »Das ist kein Monster! Es ist nichts weiter als ein armes Tier, das Angst um sein Junges hat, das in einer Felsspalte gefangen sitzt! Falls es Sie überhaupt interessiert: Mein Name ist Jody Walker.«

»Miss Walker, es tut mir leid, wenn ich Ihr – hm – Ihren Freund falsch eingeschätzt habe, aber es ist sicher keine alltägliche Sache, einem solchen Wesen gegenüberzustehen. Aber erlauben Sie mir, daß ich Ihnen eine Frage stelle: Woher kommen Sie?«

Jody schwieg. Sicher waren diese Leute ein Teil der Besatzung des Raumkreuzers. Sollte sie ihnen nun sagen, wie sie hierher gekommen war, oder sollte sie ihre Tarnung aufrechterhalten? Doch dann nahm ihr jemand die Entscheidung ab.

»Sie ist mit mir hierhergekommen«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Zak war aus dem Spalt geklettert und arbeitete sich jetzt an dem Saurier vorbei durch den schmalen Durchgang.

»Zak!« rief Laura. »Dann hast du den Gleiter geflogen, nicht wahr? Warum um alles in der Welt hast du das getan? Und wie kommt Miss Walker hierher?«

»Ich möchte das alles gerne erst dem Captain erklären«, antwortete der junge Mann und stellte sich neben Jody. »Zuerst aber müssen wir dem Jungen dieses Sauriers helfen. Es liegt hinter diesem Durchgang in einer Felsspalte.«

»Helfen?« Smith war sichtlich empört. »Wir sollen dieser Kreatur auch noch helfen? Nicht genug, daß sie uns bedroht, jetzt sollen wir auch noch-«

»Halten Sie die Schnauze, Smith!« donnerte Christopher. »Sie haben doch gehört, was Miss – äh – Walker gerade sagte! Es hat nur Angst um sein Junges! Wenn wir ihm helfen, wird es uns auch in Frieden lassen.«

»Gut, wenn Sie sich unbedingt in den Tod stürzen wollen, mir ist es gleich. Ich werde mich jedenfalls nicht zu Hackfleisch verarbeiten lassen.«

Zak schüttelte den Kopf. »Also dann, kommen Sie. Es ist gleich hier drüben...« Damit führte er sie durch den Felsen zur Spalte. Ravel stieg beim Anblick des kleinen Tieres sofort hinunter und begann, es von allen Seiten zu studieren. Währenddessen überlegten die anderen, wie sie das Junge am besten hinaufbringen konnten.

»Tragen können wir ihn sicher nicht«, meinte Laura. »Ich könnte mir nur einen vorstellen, der dazu imstande wäre.«

Frank nickte. »Der große Saurier. Aber er paßt leider nicht durch die Spalte da vorne und einen anderen Weg hier hinein gibt es auch nicht.« Watts marschierte an der Spalte auf und ab, während er nachdachte. »Es müßte doch möglich sein... Christopher, wie stark sind unsere Handlaser noch?«

»Meiner hat noch beinahe die halbe Ladung«, sagte der Biologe nach einem kurzen Blick auf die Anzeige seiner Waffe.

»Gut, bei mir sieht es ähnlich aus. Laura, prüfen Sie bitte die Ladung Ihrer Waffe. Über die Hälfte? Gut, sehr gut. Ich denke, wenn wir mit vereinter Schußkraft die Felswand neben dem Durchgang bearbeiten, können wir den Ritz verbreitern, so daß der große Saurier hindurchgelangen und sein Junges herausholen kann.«

»Eine gute Idee«, pflichtete Christopher ihm bei, während er aus der Spalte herauskletterte. »Was meinen Sie, Laura?«

»Einen Versuch wäre es wert«, meinte sie und entsicherte ihren Handlaser.

Sie gingen auf die andere Seite der Felswand, wo der große Saurier wartete und Patrick weiter hinten am Waldrand ungeduldig herumstand. Zak und Jody folgten den anderen. Frank, Laura und Christopher zielten auf die Wand und gaben einen gebündelten Laserstrahl ab, der ein Stück der Wand wegsprengte. Zak zog ebenfalls seinen Laser heraus und half den anderen. Als sie den Durchmesser des Loches verdoppelt hatten, brüllte der große Saurier plötzlich laut auf und versuchte, sich durch den immer noch zu schmalen Riß zu zwängen, um sein Junges zu erreichen.

»Nein!« rief Jody und zu ihrer eigenen Überraschung zog sich der Saurier wieder zurück. »Du mußt noch ein wenig warten. Das Loch ist noch nicht groß genug. Hab Geduld.« Gehorsam ließ sich der Riese wieder nieder, beobachtete aber ungeduldig die anderen, wie sie die Arbeit wieder aufnahmen.

Zwei Dezimen später war das Loch bereits sehr groß geworden, doch die Energie der Laser war erschöpft. Wieder versuchte der Saurier, durch den Spalt zu gelangen, aber immer noch war der Riß zu schmal. Wütend begann das Tier, an der Felswand zu kratzen und brach dabei einige Brocken heraus, die bereits durch den Laserbeschuß gelockert worden waren. Eine kurze Zeit später brachte das Tier es fertig, seinen gewaltigen Hals durch den Spalt zu zwängen. »Wir haben es geschafft«, jubelte Laura. Jody lief zu Zak hinüber und umarmte ihn stürmisch. Frank und Christopher schüttelten sich die Hände. Augenblicke später tauchte der große Saurier mit seinem Jungen im Maul wieder auf und begann, die Verletzung des Kleinen zu untersuchen.

»Ich denke, wir sollten jetzt zum Captain zurück«, schlug Frank vor. Im gleichen Augenblick begann sein InterCom zu piepsen.

- * -

»Captain, wir sind endlich bereit«, sagte Victor und schraubte die letzte Platte an die Abdeckung der Bedienkonsole. »Alles ist bereit zum Start.«

»Das ist wunderbar, Vic.« Gordon war begeistert. »Jetzt müssen wir nur noch den Treibstoff auftanken und können abheben. Sam, könnten Sie sich darum kümmern?«

»Aye aye, Captain.« Das Funkeln in den Augen des Piloten war kaum zu übersehen. Sam ging hinaus und spazierte fröhlich die Rampe hinunter, wo Beatrice an ein paar Geräten saß und eine einheimische Pflanze untersuchte.

»Hallo Sam«, sagte sie als sie sich umdrehte. »Nun, wie sieht es aus. Sie scheinen sehr zufrieden zu sein.«

»Vic hat die Steuerung eingebaut. Wir können jetzt starten. Nur noch auftanken und dann geht's los.«

»Sam, das ist ja fabelhaft.« Beatrice ließ ihre Pflanze liegen und beeilte sich, in die Carat zu kommen.

Sam suchte in der Zeit nach der Treibstoffzufuhr. Zu seiner Überraschung fand er keine. Nur eine unscheinbare kleine Klappe mit der Aufschrift Antriebsversorgung deutete auf den Treibstoff hin. Dem Piloten kam diese Klappe allerdings sehr klein vor. Sein erster Eindruck änderte sich in dem Augenblick, als er die kleine Klappe öffnete. Dahinter war nichts weiter als eine Steckvorrichtung für ein armdickes Kabel, das vor seinen Füßen lag. Anscheinend besaß die Carat einen Antrieb, der keinen konventionellen Treibstoff mehr brauchte. Sam rätselte darüber, welcher Art dieser Antrieb wohl sein mochte, als er das Kabel in die Buchse steckte. Sofort hörte er ein Summen, das von der Carat ausging und eine kleine Leuchte neben der Buchse teilte ihm mit: Aufladevorgang gestartet. Es dauerte mehrere Dezimen, bis die Leuchte erlosch und eine andere mit der Aufschrift Ladevorgang beendet sich einschaltete. Sam zog das Kabel heraus und schloß, nicht ohne sich sehr zu wundern, den Deckel. Dann ging er zurück in den Kommandoraum.

»Ich weiß zwar nicht genau, womit diese Kiste hier fliegt«, sagte er, als er die Zentrale durch die Schiebetür betrat, »aber ich denke, wir haben einen vollen Tank.«

Criss warf ihm einen verwirrten Blick zu, sagte aber nichts.

»Also, worauf warten wir dann noch?« fragte Victor, der bereits ungeduldig darauf wartete, seine Steuerung im Betrieb auszuprobieren.

»Gut, wir werden jetzt losfliegen und in der großen Ebene warten, bis die Suchmannschaft zurückkehrt.« Criss ließ sich in den Kapitänssessel sinken. Die alte Ordnung war rasch wiederhergestellt. Sam O'Rileigh nahm seinen Platz am Pilotentisch ein, Victor Brooks übernahm die Navigation, Beatrice Sullivan und Rita Core-Parks gaben die Daten, die Victor und Sam ihnen vorlasen in die Computer ein, Captain Gordon Criss übernahm die Hauptleitung.

»Triebwerke aufheizen«, war sein erster Befehl.

Sam drückte ein paar Knöpfe und einen Augenblick später ging ein Rumpeln durch das Schiff. Dann erstarb das Rumpeln und wich einem ruhigen Summen. Victor und Sam tauschten überraschte Blicke. Kein anderes Schiff lief in der Aufheizphase so ruhig wie die Carat. Auch als die Temperaturanzeige die Betriebstemperatur anzeigte, war nur ein schwaches Vibrieren zu spüren, ähnlich wie bei einem Hover.

»Öffnen Sie das Tor, Victor.«

»Aye aye, Captain.« Brooks drückte einen Schalter und vor ihnen rollte das schwere Stahltor langsam hinauf. Alles wartete gespannt darauf, endlich abheben zu können. Aber auf der Hälfte stockte das Tor plötzlich und begann, wieder hinabzufahren. Überraschte und empörte Rufe waren im Cockpit zu hören.

»Was soll das?« fragte Criss und sprang auf. »Victor, was machen Sie da?«

»Es ist nicht meine Schuld, Sir«, verteidigte sich der Elektroniker. »Ich denke eher, es hat mit dem Oluster zu tun, der dort unten an der Kontrolltafel steht. Sie haben uns entdeckt, und was noch viel schlimmer ist, sie haben die Carat entdeckt!«

»Was können wir tun?« fragte Rita und wandte sich zu den anderen um.

»Die Carat soll doch über so starke Waffen verfügen«, ergänzte Beatrice. »Können wir die verdammten Oluster damit nicht erledigen?« In der Zwischenzeit hatte sich eine ganze Gruppe ihrer Feinde im Hangar eingefunden und sie versuchten nun, in die Carat einzudringen. Glücklicherweise waren die Türen fest verriegelt, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch dieses Hindernis überwinden würden.

»Ich glaube nicht, das uns die Waffensysteme hier viel nutzen«, sagte Sam betroffen. »Nach allem, was ich in den Büchern über das Schiff gelesen habe, arbeiten die Waffen nur, wenn man sich im freien Flug befindet, und davon kann hier ja nicht die Rede sein.«

»Können wir nicht die Suchmannschaft benachrichtigen, damit sie uns helfen?« fragte Rita und blickte auf ihr InterCom.

»Das wäre durchaus möglich, obwohl ich bezweifle, daß sie so schnell bei uns sein können.« Criss hob sein Com an den Mund. »Captain Gordon Criss an Frank Watts, Notfall!«

- * -

»Verstanden, Sir.« Frank schaltete sein InterCom ab und blickte in die betroffenen Gesichter seiner Gefährten. »Ich denke, wir sollten uns beeilen«, sagte er schließlich.

»Was soll das nutzen?« wollte Laura wissen. »Wenn wir da ankommen, ist es wahrscheinlich längst zu spät.«

»Wir sind einfach zu weit weg«, stimmte Patrick zu. »Nebenbei haben Sie ja glücklicherweise alle Ihre Laser fast leergebraten. Anstelle hier unsere Zeit zu verschwenden, wären wir besser früher zurückgegangen.«

»Unsinn«, gab Frank zurück. »Selbst wenn Sie vorhin so schnell sie gekonnt hätten und ohne Pause zum Hangar gerannt wären, hätten Sie die Carat auch erst um Stunden zu spät erreicht.«

Zak kam zu den wütenden Männern herüber und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung: »Haben Sie tatsächlich eine komplett startbereite Carat gefunden? Ich dachte, Dr. Calvin hätte die Pläne irgendwo versteckt.«

»Hat er auch, in einem geheimen Hangar unterhalb seines Labors. Wir sind durch Zufall darauf gestoßen. Die Carat war vollständig aufgebaut und bereit, seit nunmehr fünfzig Jahren. Alles was fehlte, war eine Steuerungseinheit, die Victor anscheinend bereits eingebaut hat. Und nun wissen auch die Oluster Bescheid und wir haben wohl keine Möglichkeit zu verhindern, daß sie die Carat erobern werden.« Bewußt vermied er es, über das Schicksal des Captains und dem Rest der Crew in einem solchen Fall zu sprechen.

»Wenn wir einen Gleiter hätten«, überlegte Christopher, »dann wären wir-«

»Wir haben aber keinen Gleiter«, unterbrach ihn Patrick unwirsch. »Und oben auf der Silver Wing ist jetzt natürlich auch keiner mehr da.«

»Ach, halten Sie sich doch zurück, Smith«, sagte Frank verärgert. »Wäre Zak nicht mit dem Gleiter hier hinuntergekommen, dann hätte Victor wahrscheinlich keine Chance gehabt, die Carat startklar zu machen.«

»Und was hat es gebracht? Der Captain und die anderen sitzen jetzt da hinten fest, während sich die Oluster die Hände reiben-«

»Und genau deshalb schweigen Sie jetzt und überlegen sich mit uns einen Weg, wie wir dem Captain zur Hilfe kommen können!« Patrick schwieg tatsächlich, hatte aber eine beleidigte Miene aufgesetzt.

Schweigend dachten sie über diese ausweglose Situation nach. Jody lehnte sich gegen die Flanke des großen Sauriers, vor dem sie nun alle Scheu verloren hatte und versuchte, so gut sie konnte, einen Ausweg zu erdenken. Leider kannte sie sich mit technischen Dingen nicht besonders gut aus und beschränkte sich deshalb mehr auf das Grundsätzliche. Wie zum Beispiel das Problem der Geschwindigkeit. Gleiter schieden aus, das war klar. Aber zu Fuß wären sie viel zu langsam. Sie mußten eine Möglichkeit finden, schnell zum Hangar zu kommen. Der Saurier spürte wohl, daß Jody beunruhigt war und stupste sie aufmunternd an der Schulter an. »Natürlich!« rief sie plötzlich aus. »Das ist die Lösung!« Sie sprang triumphierend auf und blickte zu den anderen hinüber.

»Welche Lösung?« Christopher, aus seinen eigenen Gedanken gerissen, war ein wenig irritiert.

»Wie wir schnell genug zur Hilfe kommen können!«

»Pah!« machte Patrick und wandte sich ab, aber Zak sah Jody offen an.

»Was meinst du?«

»Ich meine die Tiere, die Saurier, könnten uns doch helfen, rechtzeitig zum Labor zu kommen.«

»Dummes Zeug«, brummte Patrick. »Diese Viecher sind viel zu-«

»Dumm, Patrick?« fragte Laura. »Ich möchte wetten, daß diese dummen Viecher mehr Grips im Kopf haben als Sie. Ich habe doch ganz genau gesehen, wie der große von ihnen ihr gehorcht hat als sie sagte, er solle die Öffnung freigeben. Vielleicht kann sie sie auch dazu bringen, uns zu helfen.«

»Und welcher Art soll diese Hilfe sein?« fragte der Physiker verächtlich.

»Wir könnten auf ihnen reiten«, erklärte Jody ein wenig unsicher. »Ich meine, sie sind schnell und stark und außerdem haben wir das Junge gerettet.«

»Das ist eine fabelhafte Idee«, begeisterte sich Zak. Vielleicht wollte er auch damit ein bißchen gutes Licht auf seine Freundin werfen. »Es würde für sie sicherlich kaum ein Problem sein, die Strecke in einem Bruchteil der Zeit zurückzulegen. Außerdem reicht ihre beachtliche Größe möglicherweise schon, um die Oluster einzuschüchtern. Es ist doch wenigstens einen Versuch wert! Es geht um das Leben des Captains!«

»Verdammt richtig«, sagte Frank. »Also, versuchen wir's.«

Jody wandte sich zu dem riesigen Tier um, das hinter ihr stand, sprach beruhigend ein paar Worte und sandte Gedanken aus, die ihre Situation beschrieben. Nur einen Augenblick später drehte sie sich wieder um und strahlte über das ganze Gesicht. »Sie hat Ja gesagt«, verkündete sie.

»Sie hat?«

»Ja, Frank«, sagte Christopher. »Es ist seine Mutter.«

»Sie sagt, wir sollen noch auf die anderen warten«, berichtete Jody. »Sie will ihren gesamten Stamm hierher rufen.«

»Da möchte ich aber nicht hiersein«, maulte Patrick und ging in den Wald zurück. Augenblicke später kam er schreckensbleich wieder herausgestürmt, gefolgt von mindestens zehn riesigen Dinosauriern und noch einmal gut der doppelten Anzahl kleinerer Tiere. Sie brachen aus dem dichten Wald hervor und stellten sich an der Felswand auf. Jody grinste.

»Sie wollen, daß wir aufsteigen«, sagte sie lachend und begann, am Rücken ihres Sauriers hinaufzuklettern. Zögernd stieg Zak auf und einer nach dem anderen folgten die restlichen Mitglieder der Expedition. Sogar Patrick stieg auf eines der kleineren Tiere, er wollte wohl alleine nicht hier zurückbleiben. »Festhalten!« rief Jody und packte den Rückenkamm ihres Tieres, als es mit halsbrecherischer Geschwindigkeit voranpreschte und die anderen ihm folgten. »Stellen Sie sich den Ort vor, wo der Captain ist, damit die Tiere wissen, wohin sie rennen sollen«, schrie Jody und empfing Augenblicke später die Bilder, die sich die Saurier gegenseitig zusandten.

- * -

Als die Tür in der rechten Bordwand endgültig nachgab, wurden die hereinstürmenden Oluster gleich von Sam und Gordon mit Lasersalven empfangen, die sich neben der Tür postiert hatten. Einen Augenblick lang waren ihre Angreifer verwirrt, doch sie erholten sich rasch. Gerade sprang einer von ihnen in den Gang, feuerte einen Schuß auf Sam ab und rollte so schnell wieder hinaus, wie er gekommen war. Instinktiv warf Sam sich zur Seite und wich knapp dem tödlichen Strahl aus. Sam und Gordon wichen hinter die Gangbiegung zurück, von der aus sie die Oluster weiter in Schach hielten. Ab und an feuerte einer von ihnen in Richtung Tür und auch ihre Gegner ließen gelegentlich ein paar Schüsse durch den Gang zischen. Alles in allem befanden sie sich in einer Pattsituation. Dies änderte sich schlagartig, als plötzlich von draußen ein kleiner Metallbehälter in den Gang geworfen wurde. Einen Atemzug später zerplatzte er und hüllte den gesamten Gang in dichten Rauch, so daß die Tür nicht mehr zu sehen war. Criss fluchte. Warum war gerade sein rechter Arm verletzt? Mit links konnte er noch nie richtig schießen. Er und Sam zogen sich hinter die zweite Schiebetür zurück und verriegelten sie. Dann stürmten sie in die Kommandozentrale zurück, wo die anderen schon ungeduldig warteten. »Es sieht verdammt eng aus«, berichtete Criss. »Sie sind bereits im Schiff und haben den Einstiegskorridor besetzt. Ich schätze, wir können jetzt nur noch auf ein Wunder hoffen.«

Während Captain Criss seiner Mannschaft weitere Befehle erteilte, waren vom Ausgang der Höhle hinter dem Rolltor laute Schreie zu hören, Schmerzens- und Angstgeschrei mischte sich in einem wilden Durcheinander. Dann wurde plötzlich das Rolltor auf beinahe seiner gesamten Fläche nach innen eingebeult. Durch diesen lauten Knall bemerkten auch die Mitglieder der Crew, was draußen vor sich ging. Immer wieder rumste es und es erschienen neue Beulen im Tor. In Panik flohen die Oluster vom Ausgang des Hangars weg und suchten Schutz in der schmalen Röhre, die zu Dr. Calvins Labor führte. Sekunden später riß die riesige Metallwand oben aus der Verankerung und stürzte mit lautem Gepolter in den Hangar. Die Oluster, die vorher noch im Hangar geblieben waren, flüchteten bei dem Anblick der riesigen Reptilien nun ebenfalls. Vereinzelt schossen sie aus sicherer Entfernung auf die Reiter der Tiere, die der Crew sehr bekannt vorkamen. Glücklicherweise hielten sich die Wesen in reger Bewegung und so prallten die meisten Schüsse an ihrer gut gepanzerten Haut ab. Eine der größeren Echsen bewegte sich jetzt auf die Carat zu und plötzlich war ein lautes Geschrei vom Eingangskorridor zu hören. Criss und die anderen sahen gerade den leblosen Körper eines ihrer Feinde gegen die gegenüberliegende Wand prallen, als auch schon der zweite von ihnen durch die Luft geschleudert wurde. Criss und Sam stürmten hinaus zur Eingangsluke und töteten mit gezielten Schüssen die drei verbliebenen Oluster, die immer noch in der Carat waren. Dann war für einige Zeit alles still, während die Reiter von ihren Tieren abstiegen und einer nach dem anderen in die Carat einstiegen. Das junge Mädchen, das gleich nach Zak den Gleiter betrat, kannte Criss zwar nicht, aber er würde danach erst später fragen, und auch danach, was Zak überhaupt hier unten machte. Jetzt endlich, nachdem sie alle im Kommandoraum versammelt waren und Sam seinen Platz eingenommen hatte, gab Criss das Startsignal. Der Gleiter hob sich beinahe lautlos vom Boden ab und Sam steuerte ihn mit geübten Manövern durch die Hangarluke nach draußen.

7. Kapitel: Epilog

Vielen Dank meine Lieben! Vielen Dank für alles! Jody sandte diese Gedanken voller Liebe zu den Sauriern hinunter, die die Oluster noch eine Weile bewachen würden. Dann empfing sie eine Antwort: Gern geschehen.

Zak und Jody saßen nebeneinander im Kommandoraum der Carat und hielten sich bei den Händen. Endlich würde es nach Hause gehen. Captain Criss hatte die Angelegenheit bisher nicht erwähnt und Zak hoffte, daß er und Jody noch einmal davonkommen würden.

Jody dachte daran, daß sie rechtzeitig zur Wiedereröffnung von Barrings' Supermarkt zu Hause sein würde.

Nachdem Captain Gordon Criss und Victor Brooks die Außentür wieder verschlossen hatten, konnten sie mit ihrer Mission beginnen. Sie schnallten sich alle an, und Sam flog die Carat mit voller Geschwindigkeit ihrem ersten Ziel entgegen, der Silver Wing.

ENDE